Frankfurt. Niemand erwartet von Norio Sasaki, dass er an der Linie ausflippt wie Dortmunds Fußballlehrer Jürgen Klopp. Doch was muss noch passieren, damit der japanische Nationaltrainer zumindest ein bisschen seine zurückhaltende Art abstreift? Oder war sein Jubel nach dem 3:1 gegen Schweden im Halbfinale am Mittwochabend in Frankfurt bereits sein größtmöglicher Gefühlsausbruch?

Nach dem Schlusspfiff riss er für einen kurzen Moment beide Arme in die Höhe und klatschte anschließend seinen Assistenten ab. Das war's. Wenig später auf der Pressekonferenz hatte er sich allerdings wieder im Griff. Nüchtern und sachlich wie ein Notar bei der Testamentseröffnung berichtete er davon, dass seine Mannschaft alles umgesetzt habe, was er verlangt hatte.

Doch schon während des Spiels, als eine Kamera ihn nach dem 3:1 einfing, konnte man erahnen, was er wirklich über den ersten Finaleinzug einer japanischen Fußballmannschaft bei der WM denkt: Nachdem Nahomi Kawasumi zum 3:1 (64.) getroffen hatte, saß er auf der Bank und lächelte das Lächeln eines Mannes, der mit sich und der Welt im Reinen ist.

Der 53 Jahre alte Fußballlehrer hat auch vor dem Finale am Sonntag gegen die USA eine ganz klare Vorstellung davon, wie seine Mannschaft spielen soll. Mit schnellen, kurzen Pässen will er nach der Balleroberung sofort das Offensivspiel einleiten. "Für uns Japaner ist das die einzige Möglichkeit, um gegen die physisch stärkeren Teams aus Europa und Nordamerika bestehen zu können", sagt er.

Dass seine Mannschaft nicht mehr weit von seiner Idealvorstellung entfernt ist, davon haben sich viele am Mittwochabend im Frankfurter Stadion überzeugen können. Selten hat eine Frauenfußballmannschaft so effektiv wie schwungvoll kombiniert - und vor allem: ihre Tore so kreativ herausgespielt wie die Japanerinnen. Man erkennt, dass die Mannschaft einer klaren Spielidee folgt.

Schon von Kindesbeinen an wird in Japan die Idee vom schönen Spiel vermittelt. "Ich habe im Kindergarten viel mit den Jungs geübt", sagt beispielsweise Kozue Ando, die sich in der Bundesliga das Trikot des FCR Duisburg überstreift. Schon sehr früh stehen in Japan Technik und Taktik im Vordergrund. Die Japanerinnen haben längst verinnerlicht, dass sie nur dann eine Chance auf große Titel haben, wenn sie die größer gewachsenen Spielerinnen aus Europa und Nordamerika mit flachen Pässen ausspielen.