Mit Real Madrid gewann der spanische Stürmerstar dreimal die Champions League. Mit Schalke will er heute im Halbfinale gegen Manchester United wieder in das große Endspiel.

Gelsenkirchen. Raúl saß auf dem Rücksitz des Minis einer Mitarbeiterin der Schalker Pressestelle und hatte gute Laune. Denn kurz bevor der Wagen an dem vereinbarten Treffpunkt an der Schalker Arena hielt, wo Raúl einen Interviewtermin hatte, sah er durch das Seitenfenster, wie die Journalisten, die ihn befragen wollten, schon im Begriff waren zu gehen. Der Grund: Es war der Tag, an dem Manuel Neuer zeitgleich auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz mitteilte, dass er seinen Vertrag mit dem FC Schalke 04 nicht verlängern und möglicherweise schon im kommenden Sommer zum FC Bayern München wechseln wird.

Wer geglaubt hatte, dass Raúl gekränkt reagieren könnte, hatte sich gründlich geirrt. Das sei "kein Problem" für ihn, sagte der Spanier. Zum einen, weil er sowieso nicht so gern Interviews gibt. Und zum anderen, weil er gerade in diesen Tagen erst recht lieber seine Ruhe habe, um sich auf eine besondere Aufgabe zu konzentrieren.

"Wir träumen davon, Manchester United zu besiegen", erklärte Raúl vor dem Halbfinalhinspiel in der Champions League heute Abend in der heimischen Arena (20.45 Uhr, Sat.1 und Sky). Schalke sei zwar krasser Außenseiter, aber deshalb keineswegs chancenlos, so der 33 Jahre alte Stürmer: "Die Logik sagt United, aber wir werden alles geben." Und wie sehr sie bei Manchester Respekt vor dem Spanier haben, beweist ein Ausspruch von Trainer Sir Alex Ferguson: "Raúl ist Raúl", sagte er, "wir müssen im letzten Drittel des Spielfeldes aufpassen."

Für Raúl, dessen Lieblingswettbewerb ohnehin immer die Königsklasse war, ist die Chance, ins Finale in London einziehen zu können, eine besondere Herausforderung. "Das Endspiel wäre unglaublich. Ich hoffe, wir würden dann auf Real Madrid treffen, obwohl - es wäre sehr komisch, sehr komisch", sagte der mit 71 Treffern erfolgreichste Torschütze in der Historie der Champions League und verriet damit viel über seine unverändert stark ausgeprägten Fähigkeiten zur Eigenmotivation. Mit Real hatte er dreimal die Champions League gewonnen, nun sieht er eine reelle Chance, seiner ohnehin schon glänzenden Biografie ein weiteres Kapitel hinzuzufügen.

Bereits der unverhoffte Halbfinaleinzug mit Schalke nach den zwei Siegen über Titelverteidiger Inter Mailand war für Raúl eine persönliche Genugtuung - schließlich war ihm mit den "Königlichen" in den vergangenen sechs Jahren nicht einmal mehr der Einzug in ein Viertelfinale gelungen.

Eine ähnlich magische Anziehungskraft übt die Champions League auch auf den zweiten Ausnahmespieler der Schalker aus: Manuel Neuer. "Ich stand direkt am Spielfeldrand und hatte damals den Traum, einmal selbst so ein Finale zu spielen", erinnerte sich der 25 Jahre alte Torhüter, der zuletzt für reichlich Wirbel gesorgt hatte, an die Zeit vor sieben Jahren: Im Mai 2004 wurde das Finale zwischen dem FC Porto und dem AS Monaco in der Schalker Arena ausgetragen - Neuer fungierte als Balljunge. Den Traum, selbst im Endspiel zu stehen, könnte er sich nun ausgerechnet zum Abschied nach 20 Jahren bei Schalke 04 erfüllen.

Sein Gegenüber heute Abend, der Niederländer Edwin van der Sar, ist zudem ein spezielles Vorbild von Deutschlands aktueller Nummer eins. "Ich war als Jugendlicher ein großer Fan von ihm", erklärte Neuer, der immer schon ein Faible für Manchester United hatte. "Sie haben viele gute Spieler, ich habe ihre Spielweise schon immer gemocht", schwärmte er fast überschwänglich vom heutigen Gegner. Neben Bayern München war auch ManU stets als möglicher neuer Verein von Neuer genannt worden. Auf die Frage, ob der Schalker im nächsten Jahr bei den Briten im Tor steht, antwortete Sir Alex Ferguson gestern mit einem kurzen Kopfschütteln und einem knappen "No!".

Obwohl Neuer und Raúl mit ihren Fähigkeiten in der Lage sind, ein Spiel allein zu entscheiden, wäre es fahrlässig, sagte Trainer Ralf Rangnick, sich ausschließlich darauf zu verlassen.

Nur wenn die Mannschaft, die in der Fußball-Bundesliga als Zehnter der Tabelle unverändert ein Dasein im Niemandsland fristet, Ralf Rangnicks taktische Vorgaben äußerst diszipliniert umsetzen wird, gibt es eine reelle Chance auf ein Weiterkommen: konsequentes Spiel gegen den Ball, Pressing, schnelles Umschalten.

Die Spieler haben innerhalb kürzester Zeit die Art, Fußball zu spielen, verinnerlicht, die Rangnick propagiert. "Manchmal überrascht es mich selbst, wie schnell sie gelernt haben", lobte der Trainer die Mannschaft, die er erst vor fünf Wochen übernommen hat. Auch dem neuen Cheftrainer ist anzumerken, dass er sich des historischen Charakters der Chance bewusst ist, die das Halbfinale bietet. "Es sind zweifellos mit die größten Spiele in meiner Laufbahn", sagte Rangnick und verwies darauf, dass die Schalker erstmals seit dem Gewinn des Uefa-Pokals 1997 wieder in das Endspiel eines Europapokal-Wettbewerbs einziehen können. Hinzu kommt die wirtschaftliche Dimension: Nach den bereits eingespielten 50 Millionen Euro aus dem Prämientopf der Uefa, dem Marktpool für die deutschen Teilnehmer und Sponsorengeldern würden bei Erreichen des Endspiels im Mai weitere 5,6 Millionen Euro fließen.