Bayern München und Trainer van Gaal müssen heute im Achtelfinalrückspiel der Champions League eine verlorene Saison retten

München. Die Szene entbehrte nicht einer gewissen Komik. Mit nur einer vorbereiteten Frage war der Journalist des italienischen Fernsehens nach München gereist. Weil er des Deutschen nicht mächtig ist, hat er sich sein Anliegen übersetzen lassen. Und so stand er nun da und las jedem Bayern-Profi seine Frage vor: "Wird es für Bayern gegen Inter Mailand das Spiel des Lebens?" Schwer werde es, aber jene Betitelung sei ein wenig übertrieben, war die einhellige Antwort.

Das "Spiel des Lebens" ist eine gängige Floskel in der aufgeregten Fußballsprache Italiens. Und auch wenn es eine maßlose Zuspitzung der Situation in München sein mag, eine Partie mit besonderer Aussagekraft wird das Achtelfinalrückspiel der Münchner in der Champions League heute Abend gegen Inter Mailand (20.45 Uhr, Sky) auf jeden Fall. Es geht nicht nur um das Fortkommen in Europa, es geht darum, aus einer miserablen Saison zumindest eine annehmbare zu machen. Vor allem jedoch ist es das Spiel, das das Zweckbündnis, das die Münchner Oberen mit ihrem Trainer auf Zeit eingegangen sind, auf eine wirkliche Belastungsprobe stellt. Das 6:0 gegen den HSV mag alle aus den Verstimmungen der Vorwochen gerissen haben. Doch Louis van Gaal, der so stolze Übungsleiter, weiß, dass ihm nach dem Verpassen der Meisterschaft und dem Aus im Pokal allein die Champions League die Möglichkeit bietet, den Klub im Mai wie gewünscht "durch den Vordereingang zu verlassen", als Triumphator und Titelsammler, womöglich gar als Feierbiest.

Arjen Robben stuft die heutige Partie als "sehr gefährlich" ein, trotz des 1:0 im Hinspiel. Weil das Gebilde FC Bayern nach wie vor ein äußerst fragiles ist, auch wenn das HSV-Spiel dem Selbstvertrauen zuträglich war. "Das war wichtig, weil ein bisschen Ruhe eingekehrt ist", sagte Kapitän Philipp Lahm. Wie kurzlebig diese Glücksgefühle sein können, ahnen sie in München. Dem Sieg in Mailand, als sich schon manch einer erinnert fühlte an das vergangene Frühjahr, als die Bayern in der Meisterschaft von Sieg zu Sieg und in der Champions League von Runde zu Runde geeilt waren, folgte die Niederlagenserie gegen Dortmund, Schalke und in Hannover. "Es ist hier nur ruhig, wenn wir gewinnen", sagte Robben deshalb auch.

Es war allerdings auffällig, wie befreit vor allem er und sein Flügelpartner Franck Ribéry am Sonnabend, dem ersten Spiel seit der Trainerentscheidung aufspielten. Den Torreigen hatte van Gaal als ein Beleg dafür gesehen, dass die Seinen auch für ihn gespielt hätten. Doch die Euphorie des Zusammenhalts, die der Trainer gespürt haben wollte, scheinen nicht alle zu teilen. Natürlich gab es jene, die sagten, das sei auch ein Sieg für den Trainer gewesen. Bastian Schweinsteiger etwa, einer seiner größten Befürworter. Aber es gab auch jene wie Ribéry. "Ich habe wieder Spaß auf dem Platz", sagte er der "Bild". Wem das nicht deutlich genug war, dem gewährte er einen noch tieferen Einblick: Hat die Trainerentscheidung die Mannschaft beflügelt, wurde er noch gefragt. "Ich glaube, ja!"

Inter weiß um die Lage des Konkurrenten, auch wenn die eigene unwesentlich besser ist. In der Meisterschaft sind die Aussichten bescheiden, fünf Punkte ist Stadtrivale AC Mailand enteilt. In der Champions League wähnen sie sich noch am meisten in Titelnähe. "Ich bin mir sicher, dass Inter in München ohne Komplexe auftreten wird", übte sich Eigner Massimo Moratti bereits im verbalen Kräftemessen und bemühte die Erinnerungen an das Finale im vergangenen Sommer, als die Italiener die Bayern 2:0 bezwangen. Weil der zweimalige Endspieltorschütze Diego Milito immer noch verletzt passen muss, ist er mit dem Status des Maskottchens nach München gereist. Und ansonsten? Anders als im Hinspiel wird Inter diesmal mit zwei Angreifern auflaufen. Neben Samuel Eto'o soll Goran Pandev stürmen. "Ich träume von einem Inter wie in Madrid", sagt Pandev. Für van Gaal wäre ein solcher Ausgang einer, der das Zweckbündnis mit den Oberen gefährden könnte.