Sportdirektor Klaus Allofs prangert nach der 0:3-Niederlage in Köln die seelenlose Bremer Mannschaft an

Köln/Bremen. "Schizophren, Scheiße, unter aller Sau" - den selten gehörten drastischen Worten zufolge haben bei Werder Bremen alle den Ernst der Lage erkannt. Auf dem Feld sah das beim 0:3 beim 1. FC Köln allerdings ganz anders aus. Ein offenbar zerstrittener Haufen von Fußball-Millionären ergab sich ohne Kampf und Gegenwehr in sein Schicksal. Und so steckt der langjährige Champions-League-Stammgast plötzlich mitten im Abstiegskampf, statt um den Titel geht es um Schadensbegrenzung. Nur noch drei Punkte beträgt der Vorsprung auf Tabelleplatz 16, den derzeit der FC St. Pauli belegt. Und ausgerechnet nächsten Sonnabend kommt Rekordmeister Bayern München ins Weserstadion.

"Es geht ganz klar nur noch gegen den Abstieg", stellte Torhüter Tim Wiese klar und ergänzte: "Es gibt keine Erklärung für die Scheiße, die wir machen." Und Clemens Fritz, Nationalspieler außer Dienst, ergänzte: "Wir haben uns unter aller Sau präsentiert. Wenn wir so auftreten, muss uns angst und bange werden."

In der Tat: Wer die Bremer in Köln auf und neben dem Spielfeld beobachtete, muss sich ernsthaft Sorgen machen um den Verein, der in den vergangenen Jahren als Vorzeigeklub für solides und erfolgreiches Arbeiten galt. Das Team präsentierte sich als Mischung aus Unfähigkeit (Pasanen), Lustlosigkeit (Arnautovic, Pizarro) und Altersschwäche (Frings, Silvestre).

Auch Differenzen zwischen den Spielern traten deutlich zutage. Als zehn Bremer zu ihren Fans in die Kurve gingen, um sich auspfeifen zu lassen, fehlte ausgerechnet der in die Kabine gerauschte Kapitän Frings. Und Wiese schimpfte: "Hier verstecken sich alle."

Vielleicht ist auch das der Grund, warum Trainer Thomas Schaaf zermürbt und niedergeschlagen wirkte. Auf der Pressekonferenz musste er sich bereits fragen lassen, wie lange er sich "das noch antun" wolle. "Es geht nicht um mich, ich bin nicht so wichtig", sagte er ausweichend: "Wir haben Fans und Freunde, die wir über Jahre gewonnen haben, enttäuscht. Wir müssen wieder dahin kommen, sie zu erfreuen. Ob ich das mache oder ein anderer, ist nicht so wichtig. Hauptsache, wir kommen wieder dahin." Wie das gelingen soll, schien Schaaf nach dem Spiel noch nicht zu wissen. "Es klingt schizophren, aber wir haben gut trainiert", versicherte er: "Wir haben gewusst, dass es kein leichter Weg wird, aber so eine Leistung haben wir nicht erwartet." Auf die Frage, was gefehlt habe, sagte er: "Alles, und das ist nicht nur ein Wort."

Auch Geschäftsführer Klaus Allofs wirkte ratlos. "Es ist nicht zu erklären. Wir haben unseren Augen auch nicht getraut, was sich hier abgespielt hat", sagte er: "Das war ein grausames Spiel. Kein Kampf, kein Wille, kein Glaube." "Die Art und Weise, wie wir das Spiel hier verloren haben, von der ersten Sekunde nicht im Bild waren, war enttäuschend. Man wusste, dass wir auf eine Mannschaft treffen, die über den Kampf geht, und wir waren darauf überhaupt nicht vorbereitet. Das war grausam. Das ist ein riesiger Rückschlag. Wir sind nicht bereit, als Gruppe aufopferungsvoll zu kämpfen, das macht mir Sorgen." Dass in der nächsten Woche ausgerechnet die erstarkten Bayern warten, sei "fast schon ein Segen". Was Werder in den nächsten Wochen und Monaten erwartet, ist Allofs, der in dieser Saison schon zahlreiche erzieherische Maßnahmen ausprobierte, diesmal aber "keinerlei Strafen" ankündigte, klar: "Wir sind längst nicht raus aus dem Abstiegskampf."

Das sind auch die Kölner nicht, die am Sonnabend (15.30 Uhr) beim FC St. Pauli antreten müssen. Doch der Auftritt der im Winter durch vier Neuzugänge verstärkten Mannschaft macht Mut. Vor allem Nationalspieler Lukas Podolski blüht als neuer Kapitän auf. Zweimal traf er (7./84.), einmal Adam Matuschyk (33.).

"Das war auch ein Sieg gegen den Anwalt hier aus Köln", sagte Podolski mit Bezug auf eine Opposition gegen Vereinspräsident Wolfgang Overath: "Das hat mich noch einmal extra motiviert." Mit seiner Leistung zeigte er auch, dass er unbedingt in Köln bleiben will. Denn ein Abgang im Falle des Abstiegs scheint sicher, die Ablösesumme ist in seinem Vertrag auf angeblich fünf Millionen Euro festgeschrieben. Mit dem 15-Millionen-Angebot des russischen Meisters Zenit St. Petersburg hat sich Podolski aber nie ernsthaft beschäftigt. "Ich habe nie gesagt, dass ich da hinwill", erklärte er lapidar: "Ich kann doch nichts dafür, wenn einer Interesse an mir hat."