Der neue Bayern-Torwart überzeugt beim 1:1 in Wolfsburg, bedauert aber den Punktverlust. Ribéry-Verletzung glimpflich.

Wolfsburg/München. Louis van Gaal durfte sich bestätigt sehen. Auch nach dem Spiel traf seine neue Nummer eins den richtigen Ton. "Tolle Paraden?", wehrte Thomas Kraft nach seiner überzeugenden Bundesliga-Premiere alle Lobeshymnen ab. "Der Ärger über den vergebenen Sieg überwiegt", urteilte Kraft nach dem 1:1 des FC Bayern beim VfL Wolfsburg.

Zuvor hatte der 22-jährige Schlussmann die Entscheidung seines Trainers bestätigt. Kraft bot eine bemerkenswerte Leistung, bereitete das 1:0-Führungstor durch Thomas Müller in der 7. Minute mit einem weiten Abschlag vor, lenkte einen Elfmeter von Grafite glanzvoll mit den Fingerspitzen an die Latte, hielt ansonsten alles, was zu halten war, und hatte keine Chance beim Gegentreffer. Vor allem habe er, wie Bayern-Kapitän Mark van Bommel sagte, "viel Ruhe" ausgestrahlt. Kraft habe seine Sache sehr gut gemacht, lobten die Seinen unisono, "aber das erste Spiel ist immer das einfachste", sagte sein Trainer, der den Nachwuchsmann gegen den Widerstand der Bayern-Führung ins Tor gestellt hatte.

Kraft selbst wusste: "Die Mannschaft vertraut mir." Dennoch sei er vor dem Anpfiff "etwas angespannt" gewesen. Als Elfmetertöter sieht er sich schon gar nicht, auch wenn er im vergangenen Jahr bei den Bayern-Amateuren einmal in Regensburg einen Strafstoß abgewehrt habe. Louis van Gaal nahm dann auch gleich ein wenig Druck von seiner jungen Nummer eins: "Wir müssen nicht zu viel Aufmerksamkeit auf einen einzelnen Spieler lenken."

Von entscheidender Bedeutung dürfte für den Trainer das ärztliche Bulletin vom Sonntag gewesen sein. Denn bei Sorgenkind Franck Ribéry gab es Entwarnung. Fünf Tage muss der Franzose zwar mit dem Mannschaftstraining aussetzen. Doch Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt diagnostizierte nicht den befürchteten Bänderriss, sondern lediglich eine Zerrung im Kapselbandapparat. "Ich bin einigermaßen erleichtert", sagte dann auch Ribéry, als er an Krücken die Praxis verließ. In Wolfsburg hatte ihn Josue heftig am Knöchel traktiert; auf Betreuer gestützt war Ribéry schon nach 20 Minuten vom Rasen gehumpelt.

Die Szene des humpelnden Stars stand sinnbildlich für die geschwundenen Hoffnungen der Münchner auf die Titelverteidigung. Was hatten sie nicht alles in der Winterpause getönt. Eine Serie wollten sie starten. Und sollten die enteilten Dortmunder patzen, frohlockte Präsident Uli Hoeneß, "dann sind wir da". Jetzt, nach dem 1:1 in Wolfsburg, klang dann alles viel bescheidener: "Bei 16 Punkten, die uns auf Dortmund fehlen, können wir nicht auf Platz eins schauen", sagte Philipp Lahm. Rang zwei sei nun "das große Ziel". Doch dieses Spiel in Wolfsburg habe der FC Bayern nie und nimmer herschenken dürfen.

"Unglaublich" nannte es auch Trainer Louis van Gaal. Und sein Wolfsburger Pendant, Steve McClaren, fabulierte gar über den "crazy german football". Allzu verrückt empfand er das vorher Gesehene, weil "wir nach 30 Minuten schon hätten weg sein können". Dabei war der "crazy german football" mit einer seiner Binsenweisheiten einfach zu erklären: Wer vorn die Chancen vergibt, bekommt hinten einen rein.

3:0 hätte es nach 30 Minuten für die Münchner stehen können, gar müssen, so viele gute Chancen hatten sie. Doch sie trafen entweder nur die Latte (Mario Gomez), setzten einen Elfmeter an den Pfosten (Philipp Lahm) oder vergaben selbst beste Möglichkeiten (Mark van Bommel). Weil sich die Wolfsburger aber eindrucksvoll zurückkämpften und weil sich in der 86. Minute ausgerechnet der sonst so besonnen agierende Bastian Schweinsteiger einen Blackout leistete, als er den Ball im eigenen Strafraum vertändelte und den Wolfsburgern so den Ausgleich servierte, "herrscht bei uns jetzt Riesenfrust", wie Thomas Müller befand. Fast schon ein Déjà-vu für die Münchner. "Es ist schon das fünfte Spiel dieser Art", klagte van Gaal. Immer wieder machen ihnen individuelle Fehler zu schaffen.

Das Comeback von Arjen Robben sechs Monate nach seinem Muskelriss ging im Wirbel um Torwart Kraft und das Unentschieden unter. "Ich bin vielleicht der derzeit glücklichste Bundesligaprofi", sagte Robben zu seinem Comeback. "So egoistisch darf ich wohl sein, trotz des 1:1." Doch beglückwünschte er bereits Dortmund zum Titel: "Die sind zu weit weg, das müssen wir akzeptieren." Da kommt wohl auch der Kraft-Einsatz zu spät.