In der Kölner Krise ist der 25-Jährige der starke Mann. Gegen den HSV will der Tabellenletzte die Wende schaffen

Köln. Im Training arbeitete Lukas Podolski mit großem Engagement. Die Kiebitze hinter dem Geißbockheim zeigten sich begeistert. Wenn ihr "Poldi" richtig loslegte, das Tempo aufnahm und schließlich schoss, kam der Eindruck auf: Dort spielte erste Klasse gegen zweite Klasse. Podolski ragt mit seinen Fähigkeiten, die ihn auch beim DFB zur festen Größe machten, einfach heraus beim 1. FC Köln.

Es gibt nicht wenige Fußball-Interessierte in Deutschland, die den Nationalspieler kritisch sehen. In Köln sind solche Fans die Ausnahme. "Poldi" ist der Unantastbare. Auch wenn der Stürmer manchmal in seinen öffentlichen Äußerungen recht schlicht wirkt, in schlechten Momenten sogar unangemessen kindisch, hat er sich tatsächlich mitten in der Krise zum starken Mann in seinem Klub aufgeschwungen. Die Fans auf der Südtribüne überlassen es Podolski sogar, die Richtung in der Vereinspolitik vorzugeben. Wer ihrem Idol zu nahe tritt, lehnt auch den FC ab.

Das Duell gegen den HSV (Sonnabend, 15.30 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de) gilt als Schicksalsspiel, um den Absturz zu stoppen: Entweder wird die Krise mit sechs Spielen in Serie ohne Sieg fortgesetzt oder es gelingt der Befreiungsschlag. Mit dem mühevollen 3:0 im Pokal gegen 1860 München wurde ein erster Anfang gemacht. Am Sonntag warf der Verein Zvonimir Soldo raus, nun soll der bisherige Juniorencoach Frank Schaefer (47) als Cheftrainer die Talfahrt stoppen.

Doch noch geistert die Frage durch Köln: Wie lange darf Schaefer weitermachen? Podolski sagt: "Wir sollten mit ihm weiterarbeiten. Was spricht denn dagegen? Mit eigenen Leuten aus dem Nachwuchsbereich haben andere Vereine gute Erfahrungen gemacht." Die Fans folgen "Poldi" und sagen auch "Ja" zu Schaefer, zumal der Diplomsportlehrer für sie noch die Qualitätsmerkmale besitzt, gebürtiger Kölner zu sein und lange mit Christoph Daum zusammengearbeitet zu haben. Präsident Wolfgang Overath sagt wenig, er will sich wohl die Option offenhalten, Schaefer durch einen prominenten Trainer wie Hans Meyer oder Christian Gross zu ersetzen. Manager Michael Meier hat im Moment nichts zu sagen. Der 60-Jährige, massiv in die Kritik geraten wegen einer ungenügenden Transferpolitik, muss selbst um seinen Job fürchten.

Podolski ist bereit, für Schaefer Schwerstarbeit abzuliefern. Gegen die "Löwen" wurde der 25-Jährige bejubelt, weil er - wie der "Kölner Stadt-Anzeiger" schrieb - "eine hingebungsvolle Saison" spielt. Er kämpfe sichtbar gegen den persönlichen Frust, in einem FC-Team zu spielen, das so viel schlechter ist als jenes, das ihm einst versprochen wurde. In einem Interview vor zwei Wochen sprach Podolski unverblümt die Wahrheit aus, was nicht nur selten ist beim FC, sondern seit Saisonbeginn sogar verboten. Die Spieler dürfen nicht mehr mit den Medien sprechen, jeder Kontakt zu Journalisten muss angemeldet werden, die Medienabteilung schickt zu jedem Interview einen Bewacher. Podolski störte sich nicht daran, er hatte die Nase gestrichen voll von seinem seltsamen Verein, der sich groß wie der FC Bayern fühlt, aber Strukturen und Personal in der Verwaltung aufweist, das auch in Liga drei überfordert wäre.

Mit seinem Rundumschlag hat sich Podolski plötzlich den Ruf geschaffen, echt besorgt zu sein um den Verein. Das festigte noch die emotionale Bindung zu den Fans. Er selbst kann nach wie vor sehr emotional reagieren. Gegen 1860 München provozierte er die Gästefans durch eine Geste, allerdings eine eher harmlose, und wurde dafür von Münchner Spielern und auswärtigen Medien ("pubertäres Verhalten") kritisiert.

Gerade das Duell gegen den HSV macht deutlich, warum Podolski durchaus das Recht besitzt, Stellung im Geißbock-Stall zu beziehen. Zwar stand er drei Jahre beim FC Bayern unter Vertrag, galt aber immer als kölscher Eingeborener. Vor sieben Jahren begann seine Profikarriere beim FC. Es war der 22. November 2003, als er sein erstes Ligaspiel bestritt, gegen den HSV (0:1). Beim HSV sind aus jenen Zeiten nur Benjamin und Jarolim übrig geblieben, beim FC ist es nur Podolski.

Die Debütsaison des 18-Jährigen endete grausam für den FC: Platz 18 mit nur 23 Punkten. Podolski gelang jedoch der persönliche Aufstieg, er durfte 2004 wie auch Bastian Schweinsteiger mit zur EM nach Portugal.

Die Nationalmannschaft und die Vereine - das sind bei Podolski schon immer Gegenpole gewesen. Sobald er das DFB-Trikot anzieht, wird die Wahrscheinlichkeit deutlich gesteigert, dass Podolski besser spielt. In 158 Bundesligaspielen erzielte er 42 Tore. Die gleiche Zahl hat er in nur 83 Länderspielen geschafft. Aber er ist überzeugt, dass es auch im Verein besser wird. Er hat eine Führungsrolle übernommen, gegen München im Pokal riss er die Kollegen aus der Lethargie heraus. Gegen den HSV will er wieder zeigen, dass es einen anderen, einen neuen Podolski gibt.