Borussia Dortmund setzt sich nach dem 2:0 über die Bayern in der Spitze fest - die Münchner haben schon 13 Punkte Rückstand auf Mainz

Dortmund. Es waren nur 30 Meter, die Mario Gomez nach der ernüchternden 0:2-Niederlage bei Borussia Dortmund vom Platz in die Kabine zurücklegen musste, doch der kurze Weg reichte dem Stürmer, um ein umfassendes Repertoire an Gesten der Hilflosigkeit aufzuführen. Gomez ließ die Schultern hängen, er fasste sich an die Stirn, er schüttelte den Kopf, rieb sich die Augen und blickte ratlos zum Himmel, der Mann war einsam inmitten der 80 000 jubelnden Dortmunder.

Denn für den FC Bayern war der Nachmittag schlimm, finster wie eine Wüstennacht war er für Gomez. Trainer Louis van Gaal hatte seine Mannschaft gründlich umgebaut, Gomez war Profiteur der Rochade gewesen, erstmals durfte er von Beginn an mitspielen. Und er hatte "in der ersten Hälfte drei richtig gute Chancen", wie Philipp Lahm auf dem Weg zum Bus klagte, "aber er hat sie eben nicht gemacht". Es hätte die Reinkarnation des Nationalstürmers werden können, er wirkte agil und motiviert, doch dann war es ausgerechnet er, dem der entscheidende Fehler vor dem 0:1 unterlief.

Van Gaal verzichtete bei seiner Spielanalyse auf Einzelkritik. "Wir konnten noch nicht mal zwei Meter vor dem leeren Tor ein Tor schießen", sagte er, ohne Namen zu nennen, "da kann ein Trainer nicht mehr so viel sagen, deshalb denke ich, dass ich jetzt lieber ruhig bin." Doch natürlich dachte er auch an Gomez. Der Holländer ist ratlos, er hatte eine Menge versucht, nicht nur Gomez war in die Mannschaft rotiert, außerdem hatte der Trainer Bastian Schweinsteiger ins offensive Mittelfeld befördert und Danijel Pranjic im defensiven Mittelfeld aufgestellt. Und die Bayern haben nach diesen Maßnahmen auch ganz gut begonnen, nicht nur Gomez (7., 25, 41.) hätte treffen können, auch Daniel van Buyten hatte eine großartige Kopfballchance (45.). "Die Bayern haben eine gute Halbzeit gespielt", lobte auch Jürgen Klopp, dessen Team in den ersten 45 Minuten ohne eigene Chancen geblieben war.

Auch Mark van Bommel erklärte: "Wir hätten dieses Spiel gewinnen müssen." Doch der fahrlässige Umgang mit der eigenen Überlegenheit rächte sich. Klopp nutzte die Pause zur Videoanalyse, und er hat die richtigen Stellschrauben gefunden. "Das Gute war, dass wir nach dieser Halbzeit noch nicht in Rückstand lagen", sagte er, seine Mannschaft korrigierte ein paar Details, sortierte das Mittelfeld, und das reichte, um die Partie zu kippen. In der 52. Minute zögerte Gomez einen Augenblick in einem Zweikampf am eigenen Strafraum gegen Sven Bender, der Ball erreichte Lucas Barrios, der zum 1:0 vollendete. Und acht Minuten später setzte Nuri Sahin einen Freistoß aus 20 Metern in den Winkel. Die Arena bebte, und von diesem Schock erholten die Bayern sich nicht mehr, am Ende hätten die Dortmunder auch noch das 3:0 und das 4:0 erzielen können.

Entsprechend überschwänglich feierten die Fans, sie wähnen sich zurück in der Bundesligaspitze. "Der BVB ist wieder da", sangen sie minutenlang, natürlich wird längst von der deutschen Meisterschaft geträumt in Dortmund. Klopp nimmt es gelassen zur Kenntnis, "es ist erst Oktober, glücklicherweise sind wir nicht behämmert, wir wissen das alles gut einzuordnen", sagte er. Aber diese Dortmunder Mannschaft funktioniert derart gut, dass ihr tatsächlich eine ganz große Saison zuzutrauen ist.

Zumal die Krise, in der der Rekordmeister sich befindet, langsam bedrohliche Dimensionen annimmt. Bei den vergebenen Torchancen sehe man inzwischen die Nerven, sagte Philipp Lahm, die Mannschaft dürfe jetzt "gar nicht mehr auf die Tabelle", sondern nur noch auf sich selber schauen. Das ist ein kluger Rat, denn das Tableau enthält tatsächlich erschreckende Fakten. Nur fünf magere Törchen hat der FC Bayern in den ersten sieben Partien dieser Saison erzielt, kein Bundesligaverein hat seltener getroffen als der Titelverteidiger. Und der Rückstand auf Mainz 05 ist an diesem Wochenende auf 13 Punkte angewachsen. Das klingt zwar immer noch nicht uneinholbar, doch bis zu einem ernsthaften Angriff auf die Tabellenspitze werden viele, viele Wochen ins Land ziehen. Und noch bedrohlicher sind vielleicht die zehn Punkte Rückstand auf die Borussia, die spätestens seit diesem Wochenende zum engen Kreis der Titelaspiranten zählt.