Nach 37 Dienstjahren sitzt Fußballreporter Rolf Töpperwien beim Nordderby Werder Bremen gegen den HSV zum letzten Mal vor dem Mikrofon.

"Jetzt", sagte der Reporter ehrfürchtig, "jetzt betritt er deutschen Boden." Gemeint war nicht Kennedy, auch nicht Obama oder gar der Papst. Es ging um Otto Rehhagel, der nach einem Europapokalsieg 1992 mit Werder Bremen zurückkehrte. Der Mann, der mit diesen Worten Sportgeschichte schreiben wollte, war Rolf Töpperwien. Der Fußballreporter aus dem Harz mit Inventarnummer beim ZDF.

Es gibt in seiner Branche begnadete Wortakrobaten wie Marcel Reif, aufgedrehte Dampfplauderer wie Fritz von Thurn und Taxis oder Sprachästheten wie Rudi Michel. Der bekannteste von allen aber ist - Rolf Töpperwien. Die Fußball-Stimme des Zweiten Deutschen Fernsehens beendet an diesem Sonnabend beim Nordderby zwischen Werder Bremen und dem HSV im Weserstadion ihre Abschiedstournee durch die Bundesligastadien. Nach 37 Dienstjahren und von ihm, dem Hobby-Statistiker, selbst errechneten 1444 Spielen, ist Schluss. Am Vorabend seines 60. Geburtstags. Endlich, sagen die einen. Schade, die anderen. Töpperwien spaltet die Fußball-Nation.

Seine Markenzeichen waren die (Wild-)Lederjacke, die großen Augen, die schütter werdende Haarkrause und diese Stimme. Ein Sirenenton, laut und schrill, hart am Rande akustischer Körperverletzung, aber irgendwie immer auf Ballhöhe: "Ein rüdes Foul, von vorne und von der Seite ..."

Töpperwien wollte nie ein kritischer Sportjournalist sein, der auch mal den Fußball infrage stellt oder Skandale aufdeckt. Diese Leute sind für ihn Nörgler und Mäkler. Er ist immer der klassische Fußballreporter geblieben, wohl der letzte seiner Art. Ein kindlich-leidenschaftlicher Fan, der am Mikrofon sitzen darf, bei Toren die Stimme hebt, als jubele er mit, und der seine schönsten Reportagen auf Zetteln sammelt.

Der Fußball ist die große Liebe in seinem Leben. Die menschlichen Abgründe mögen ihn noch populärer gemacht haben: Als er sich auf ZDF-Briefpapier über eine zu üppige Bordellrechnung beklagte oder sich beim bis heute mysteriösen Entzünden einer Flasche Strohrum schwerst verbrannte.

Töpperwiens Lieblings-Gesprächspartner war Otto Rehhagel, ob im Trainingsanzug aus Ballonseide oder im feinen Zwirn des Nationaltrainers, den er auf der Jagd nach Wortfetzen gern bis in die Kabine verfolgte. Die "Süddeutsche Zeitung" nannte ihn deswegen schon mal Rehhagels "Putzerfischchen".

Doch als ihn in diesem Sommer der große Otto bei seinem WM-Abschied in Südafrika schnöde stehen ließ und nur "Das ist Privatsache" knurrte, spürte man über den Bildschirm, wie des Reporters heile Welt in Stücke brach.

Beinahe zwangsläufig musste dem Ende der Ära Rehhagel auch Töpperwiens Finale folgen. Wenn an diesem Sonnabend der Bericht aus Bremen gesendet ist, wird sich Töpperwien verabschieden und nicht wiederkommen. "Stecker raus und Schluss", wie er sagt. Fußball, behauptet er, sei dann nur noch Nummer zwei. Seine neue große Liebe ist Louis. Sein Sohn, vier Jahre alt.