Felix Magath, Trainer des FC Schalke 04, hat die Mannschaft komplett umgebaut. Nach fünf Niederlagen in Folge wachsen die Zweifel an seinem Kurs.

GelsenkircheN. "Trainingsfrei" stand auf dem Plan für Montag, dem Tag nach dem furchtbaren Debakel. Felix Magath, dem der Ruf vorauseilt, hart mit Fußball-Profis umgehen zu können, ließ Gnade walten. Dem 1:3 gegen Borussia Dortmund, dieser grausamen Offenbarung, dass der Vizemeister ein erbärmliches Bild abgibt, folgte kein Straftraining mit Medizinbällen oder Mittelstreckenläufen im Höchsttempo. "Die Spieler müssen sich erholen und den Kopf frei bekommen", sagte Magath. Morgen tritt der deprimierte Tabellenletzte beim fröhlichem SC Freiburg an. Magath benötigte selbst den trainingsfreien Tag, um eine schonungslose Schwachstellenanalyse vorzunehmen.

Den Ist-Zustand direkt nach der Demütigung im Revierderby hätte der 57-Jährige kaum klarer beschreiben können. "Natürlich war das katastrophal. Das war mein schlimmster Tag auf Schalke. So einen Saisonstart habe ich noch nicht erlebt." Training für den Körper bringt nichts mehr, seine Mannschaft zerschellte psychisch am glänzend aufspielenden Gegner, wie Magath feststellte. "Die Niederlagen haben Spuren hinterlassen. Die Truppe ist völlig verunsichert. So habe ich die Mannschaft noch nicht erlebt." Die Analyse ist eine seiner Stärken, aber mit welchen Maßnahmen er den Zerfall stoppen will, wollte er "in Ruhe" vornehmen. Leicht fällt ihm diese Untersuchung nicht. Magath weiß es, oder zumindest wird er es spüren, dass er als starker Mann bei den Königsblauen die Schuld für den deftigen Absturz mit trägt. Für Vergleiche, wohin ein Niedergang aus der Ligaspitze in kürzester Zeit führen kann, muss nicht lange gesucht werden: Hertha BSC stieg im Mai als Vorjahresvierter ab.

Magath muss den schwächsten Saisonstart in der Schalker Bundesliga-Geschichte als schallende Ohrfeige für sich werten. Lange galt er als Experte, abgewrackte Teams wieder konkurrenzfähig machen zu können. Erst in Wolfsburg erwarb sich der zweimalige Vizeweltmeister den Ruf, ein echter Meistermacher zu sein. Bei seinen vorhergehenden Titeln mit dem FC Bayern war er lediglich Trainer und nicht Trainer-Manager in Personalunion. Beim VfB Stuttgart erinnern sie, dass er sich zwischen 2001 und 2004 etliche Transferflops leistete. Dort schuf er letztlich den Aufschwung durch das erfahrene Dreigestirn Meiro, Bordon und Soldo sowie den "jungen Wilden" wie Hildebrand, Kuranyi, Hinkel, Lahm, Amanitidis und Hleb, deren Einsatz Manager Rüssmann forderte. Diesen Weg, den er in der vorigen Saison auch in Schalke einschlug und Talenten wie Moritz, Schmitz und Holtby das Ligadebüt bedeutete, hat der Trainer Magath in diesem Sommer verlassen. Die neue Linie, für gut 36 Millionen Euro 14 neue Spieler zu verpflichten und 15 Profis aus dem Kader für eine Einnahme von etwa 16 Millionen zu verschachern, war eine Idee des Managers Magath.

Magath wird offenbar von den widerstrebenden Aufgaben des Managers und Trainers zerrissen. Er hat schon in der Phase des Sommerschlussverkaufs, als einige geplanten Transfers platzten, die ursprünglichen Traineraufgaben, sich dem Aufbau des neues Teams zu widmen, vernachlässigt, wie er einmal zugab. "Der Umbruch war unumgänglich", behauptete Magath immer wieder nach den ersten der mittlerweile fünf Niederlagen in der Bundesliga und der Champions League. Die Gehaltssumme soll er um 25 Prozent oder mehr gedrückt haben, aber dafür gab er die sicherste Abwehr der Liga ab. In Wolfsburg schleuste er 44 neue Spieler in zwei Jahren durch den Kader und hatte das Händchen, dass es schließlich meisterhaft zusammenpasste.

Die Mittel für einen finanziellen Kraftakt wie beim Volkswagen-Verein kann Schalke indes nicht aufbringen. Magath hat in Profis durchschnittlicher Güte wie Sarpei, Uchida, Escudero und Deac oder im Winter Kluge und Edu verpflichten, die einen Champions-League-Klub nicht weiter entwickeln. Teilweise setzt Magath auf eine wilde Rotation in der Startelf und vor allem im 18er-Kader. Den Weg von der Stammformation auf die Tribüne lernte aktuell Jones kennen, zuvor waren Jendrisek und Baumjohann betroffen. Mit Jurado hat er für 13 Millionen einen Banksitzer geholt. "Er ist ein Offensivmann, der wenig Defensivarbeit verrichtet. Er hätte heute nicht weiter geholfen", begründete Magath den Verzicht auf den Ex-Spielmacher von Atletico Madrid.

Raúl, der nach einem Supertor im Liga-Total-Cup bejubelt wurde, wirkt inzwischen wie einer, der bei Schalke seine Karriere gemütlich ausklingen lässt. Der zuletzt für die Niederlande erfolgreiche Huntelaar spielte gegen den BVB trotz seinem ersten Bundesligator schwach wie alle anderen Feldspieler. Die Abwehr ist nur noch ein Torso auch ohne den zuletzt indisponierten Metzelder, der verletzt auf der Tribüne saß. Plestan handelte sich im schon den dritten Platzverweis für einen Verteidiger in dieser Saison ein.

Das Team agierte so orientierungslos wie Magath bei seiner Kaderbildung. Mit dem Umbruchprozess und seinen psychischen Verwerfungen droht Magaths Masterplan den Bach runterzugehen. An einen Platz im Europapokal in der nächsten Saison sei im Moment nicht zu denken, räumte der Realist Magath ein. Doch ohne diese Einnahmen lässt sich sein Plan, 2012 oder 2013 endlich einmal Meister zu werden, nicht erfüllen. Die Fans spürten die Misere sehr genau. Nach Pfiffen zur Halbzeit machte sich nach und nach gespenstische Stille in der Arena breit.