Schlechtester Saisonstart seit 23 Jahren nährt den Unmut über die Personalpolitik von Trainer Felix Magath

Gelsenkirchen. Christoph Metzelder verließ die Arena wortlos. "Ich sage heute mal ausnahmsweise nichts", erklärte der sonst so auskunftsbereite und wortgewandte ehemalige Nationalspieler, als er eine Stunde nach seinem Heimdebüt für Schalke 04 aus der Kabine kam. Seine erschreckend schwache Leistung und die Reaktionen der Fans hatten ihm offenbar die Sprache verschlagen.

Dafür redete Felix Magath über seinen neuen Abwehrchef, der durch seine Unsicherheit maßgeblich zur 1:2-(0:1)-Heimniederlage gegen Hannover 96 beigetragen hatte. "Wir haben ihn geholt, um unsere Abwehr stabiler zu machen. Doch das gelingt ihm momentan nicht. Er hat keine gute Phase", sagte der Schalker Trainer. Und dann sei es eben schwer, ohne Gegentor zu bleiben, "wenn derjenige, der die Defensive stabilisieren soll, ausfällt". Magaths Teams hatte speziell in der Abwehr, die in der vergangenen Saison gemeinsam mit nur 31 Gegentoren die wenigsten Treffer hinnehmen musste, wie ein Torso gewirkt: unsicher, fahrig und ohne jegliche Abstimmung.

Daran ist Magaths Personalpolitik nicht unschuldig. Mit den Innenverteidigern Marcelo Bordon und Heiko Westermann sowie dem Rechtsverteidiger Rafinha verließen vor Saisonbeginn drei Leistungsträger den Verein - gleichwertiger Ersatz für dieses Trio scheint derzeit nicht in Sicht.

Die Leichtigkeit, mit der die Hannoveraner ihre beiden Treffer durch Konstantin Rausch (31. Minute) und Mohammed Abdellaoue (49.) erzielen konnten, ließen bei den Schalker Fans, deren Stimmung in Bezug auf Magath ohnehin gereizt ist, eine bange Befürchtung aufkommen: Ist der frühere Meistertrainer des VfL Wolfsburg bei seinem radikalen Umbau der Mannschaft einen Schritt zu weit gegangen? Hat er sich gar völlig verschätzt?

Der schlechteste Saisonauftakt seit 23 Jahren scheint diese These zu stützen. Vor der zweiten Saison unter Magath haben 13 Spieler den Verein verlassen, elf sind gekommen. Doch integriert sind sie noch längst nicht. "Durch die vielen neuen Spieler haben wir noch keine Sicherheit", räumt auch der Architekt des groß angelegten Umbaus ein. Doch dies ist nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich betreibt Magath ein riskantes Spiel. Angetrieben von dem Wunsch, attraktiveren Fußball spielen zu lassen und den Kreativbereich so aufzurüsten, dass Schalke auch in der Champions League konkurrenzfähig sein kann, schichtet Magath riesige Summen um. So reduzierte er zwar das Gehaltsvolumen des Kaders um 30 Prozent, in dem er sich von Großverdienern wie Bordon, Westermann, Rafinha und Kevin Kuranyi trennte. Den dadurch gewonnenen Spielraum sowie die etwa 25 Millionen Euro, die als Garantieeinnahmen durch die Teilnahme an der Champions League fließen werden, wollte er jedoch in erster Linie nutzen, um klangvolle Namen für die Offensive wie den spanischen Altstar Raúl von Real Madrid zu verpflichten.

Die Abwehr hatte er offenbar weniger im Fokus: Mit dem spanischen U-21-Nationalspieler Sergio Escuderom 20, dem Japaner Atsuto Uchida, 22, dem Griechen Kyriakos Papadopoulos, 18, wurden drei Perspektivspieler verpflichtet, die derzeit noch nicht reif genug für die Bundesliga sind. Mit Metzelder, 29, und Tim Hoogland, 25, kamen zwei erfahrene Spieler, deren Potenzial aber kaum an das ihrer Vorgänger Bordon, Westermann oder Rafinha heranreicht. Durch die Verpflichtung des 34-jährigen Hans Sarpei, der zuletzt bei Bayer Leverkusen hauptsächlich die Bank gedrückt hatte, musste deshalb bereits nachgebessert werden.

Magath ärgert es trotzdem, dass die Fans trotz des erreichten zweiten Platzes in seinem ersten Jahr offenbar nur wenig Vertrauen in seine strategischen Fähigkeiten haben. "Ich kann nicht aus lauter Angst, dass sich etwas verändert und dass das auch Zeit braucht, jetzt untätig sein", sagte er und kündigte forsch weitere Umbaumaßnahmen an: Bis zur Schließung des Transferfensters am Dienstag um 24 Uhr sollen noch ein namhafter Angreifer und ein Spielmacher verpflichtet werden.

Für die zweite Sturmposition neben Raúl, der gegen Hannover erneut wirkungslos blieb, ist Klaas-Jan Huntelaar vom AC Mailand, dessen Wechsel von niederländischen Medien bereits vorschnell als perfekt gemeldet wurde, aussichtsreichster Kandidat. "Wir haben Gespräche mit Milan geführt, inhaltlich kann ich dazu aber nichts sagen", erklärte Magath, der zudem unverändert um die Dienste von Rafael van der Vaart von Real Madrid buhlt. Sollten die Verpflichtungen der beiden Holländer gelingen, wäre der finanzielle Spielraum, den Aufsichtsratschef Clemens Tönnies Magath eingeräumt hat, aufgebraucht - und die Abwehrprobleme ungelöst. Ansonsten bleibt nur die Hoffnung, dass Magaths Umbaumaßnahmen doch noch irgendwie zum Erfolg führen. Sie lassen sich nicht mehr rückgängig machen.