Nach dem Finaltriumph über die Niederlande wurde das Team in Madrid von den Fans begeistert empfangen

Johannesburg. Andres Iniesta sollte gerade über die Botschaft für den Fußball sprechen, als ein Überfallkommando den Hörsaal betrat, in dem er zum besten Spieler des Finals geehrt wurde. Carles Puyol, Gerard Piqué und Cesc Fàbregas, seine Mitspieler, hatten Bierflaschen in der Hand, sie riefen "Campeón, Andrés, du bist Campeón" und waren insgesamt wohl der Meinung, dass dies keine Stunde für ausgefeilte Diskurse zur Zukunft ihres Sports war. Ihre Argumente überzeugten auch den Siegtorschützen. "Das ist ein Moment, um ihn zu genießen, sonst nichts", sagte Iniesta.

Die Spanier waren generöse Sieger, sie hielten sich zurück mit Kritik an der brutalen Gangart ihrer Finalgegner, und sie verzichteten auf Überhöhungen der Art, dass hier das Gute gegen das Böse gesiegt hatte. In etwa so jedoch interpretierte die restliche Welt das Geschehen, weshalb der niederländische Trainer Bert van Marwijk eine Kanonade von Fragen über sich ergehen lassen musste. "Es stimmt schon, dass da fürchterliche und gewalttätige Fouls dabei waren", sagte er dann etwa und fügte wenig überzeugend hinzu. "Das ist eigentlich nicht Teil unseres Spiels."

Wenig überzeugend war das deshalb, weil die Niederlande schon vor vier Jahren im Achtelfinale gegen Portugal das größte Kartenfestival der WM-Geschichte initiiert hatten (16-mal Gelb, vier Platzverweise). "Das Spiel war hässlich, hart, grob und viel zu defensiv. Es war wenig Fußball dabei", kritisierte die holländische Legende Johan Cruyff. "Roh spielen", anders habe man gegen Spanien keine Chance, erklärte Nigel de Jong, der in der ersten Halbzeit für eine Kung-Fu-Einlage gegen Xabi Alonso vom Platz hätte fliegen müssen - wie auch Mark van Bommel für ein übles Einsteigen gegen Iniesta.

Der kleine Spanier revanchierte sich auf seine Art und Weise - mit einem Treffer. Sekunden, nachdem er in der 116. Minute das einzige Tor im Finale erzielt hatte, riss er sich sein Trikot vom Körper. Zum Vorschein kam ein Unterhemd, auf dem geschrieben stand: "Dani Jarque siempre con nosotros." Dani Jarque ist immer bei uns. Es war eine Erinnerung an seinen verstorbenen Freund, den ehemaligen Kapitän von Espanyol Barcelona, der im vergangenen Jahr mit nur 26 Jahren an Herzversagen verstarb.

Wer will, konnte in der holländischen Spielweise jedoch auch eine Hommage für den neuen Weltmeister sehen. Bei den Gegnern der spanischen Nationalmannschaft schien sich die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass sie nur durch Destruktion zu stoppen ist. Die einen, wie Deutschland, versuchten das mit fairen Mitteln, die anderen haben jetzt ein Imageproblem wie die Niederländer - gemeinsam war ihnen, dass sie alle 0:1 verloren, denn der Europameister gewann seine K.-o.-Spiele alle 1:0 - im Achtelfinale gegen Portugal, im Viertelfinale gegen Paraguay, im Halbfinale gegen Deutschland, im Finale gegen die Niederlande.

Als drittes Team hält Spanien den Kontinental- und den Welttitel

Gegen die Spielkunst von der EM fielen Spaniens Darbietungen bei diesem Turnier zwar etwas ab, aber den Stolz machte das nicht geringer. "Das ist noch größer als die EM", sagte Verteidiger Joan Capdevila. Denn Brasilien 2006 oder Frankreich 2002 sind ja nur die jüngsten Beispiele einer langen Kette von gescheiterten Topfavoriten bei WM-Turnieren. Spanien jedoch hat dem Druck standgehalten und nach der Auftaktniederlage gegen die Schweiz die Nerven bewahrt - als drittes Team der Geschichte nach Deutschland (1972, 1974), Frankreich (1998, 2000) und Brasilien (2002, 2004) hält es jetzt den kontinentalen und den Welttitel.

Und die Spieler feierten ihre jüngste Eroberung am Sonntag so allürenfrei, wie sie wirklich sind. Höhepunkt war das Interview von Torhüter Iker Casillas mit seiner Freundin Sara Carbonero, einer TV-Reporterin. "Was soll ich Ihnen sagen?", begann Casillas, er danke allen, die immer für ihn da waren, den Eltern, den Geschwistern, dann stockte seine Stimme, die beiden schauten sich an, ehe der Keeper seiner Freundin zwei Küsse auf den Mund drückte. "Ich geh jetzt", sagte er. "Madre mia", die zurückgelassene Reporterin. Madre mia, was für eine weltmeisterliche Mannschaft.