Abendblatt-Kolumnist Felix Magath zieht Bilanz. Es war eine WM der Jugend

Endspiele von Fußball-Weltmeisterschaften sind selten sportliche Highlights, dazu steht am Ende eines langen Turniers zu viel Lorbeer auf dem Spiel. Das Finale zwischen Spanien und den Niederlanden litt aber vor allem unter einem Mann: dem Schiedsrichter. Mister Webb hat in seinem ehrenwerten Bemühen, alle 22 Mann bis zum Abpfiff auf dem Feld lassen zu wollen, zu viel Härte zugelassen und damit den Spielfluss zerstört. Er hat nicht das richtige Maß an Bestrafung gefunden, weil die Regeln bei den Aktionen von van Bommel und de Jong ihm zwar das Zücken der Roten Karte vorgeschrieben hätten, er diese aber partout nicht ziehen wollte. Damit hatte er sich in ein auswegloses Dilemma manövriert.

Gerade um die Schiedsrichter aus dieser Zwickmühle zu befreien, fordere ich seit Jahren, bestimmte Arten von Fouls mit Geldstrafen, aber nicht mit Platzverweisen zu bestrafen. Es sei denn, sie sind derart brutal wie der Kung-Fu-Tritt de Jongs. Wichtig bleibt eine einheitliche Regelauslegung. Sie fehlte bei dieser WM.

Härte, Aggressivität gehören zum Fußball, und es ist ja das Schöne an diesem Spiel, dass technische Defizite mit Einsatz, Laufbereitschaft und auch mit Fouls ausgeglichen werden können. Bei Sportarten, die Körperkontakt zulassen, sind sie Teil des Geschehens. Ich will dem Foulspiel nicht das Wort reden, wir müssen jedoch unterscheiden zwischen Unsportlichkeiten und dem oft unabsichtlichen Fehlverhalten im Zweikampf. Und: Gelbe Karten für Trikotausziehen sind ein Witz. Da stimmt die Verhältnismäßigkeit nicht mehr. Ich fürchte aber, ändern wird sich nichts. Die Herren der Fifa haben nun mal eine andere Spielauffassung als ich.

Die WM in Südafrika, das ist für mich die wichtigste Erkenntnis, war eine Weltmeisterschaft der Jugend. Sie allein hat noch die Kraft, Konzentration und Frische, sich nach einer strapaziösen Saison mit Meisterschaft, Pokal und Champions League für ein vierwöchiges WM-Turnier zu motivieren. Die großen Stars wie Ronaldo oder Rooney scheinen dazu nicht mehr willens oder in der Lage. Der moderne Fußballbetrieb lässt ihnen keine Zeit zum Luftholen, der Reiz einer WM wird sich für sie in Konkurrenz zu den Vereinswettbewerben in Grenzen halten. Das dürfte ein Grund sein, dass große Fußballnationen wie Italien, Frankreich, England und Brasilien diesmal weit früher scheiterten, als auch ich es erwartet hatte.

Die vielfältigen Belastungen sind nur noch in jungen Jahren zu ertragen, wer auf die 30 zugeht, hat immer öfter mit seinem Kopf und Körper zu kämpfen als mit den Gegnern. Wollen wir diese Entwicklung stoppen, bedarf es einer Entrümpelung des Terminkalenders und einer Straffung der Wettbewerbe. Ich bin mir aber sicher, dass es auch dazu nicht kommen wird. Doch seien wir froh: Die deutsche Elf hat in Südafrika maßgeblich von diesem Trend profitiert. Sie war im besten (Jugend-)Alter.