Simone Buchholz nimmt Abschied von der WM in Südafrika

Mir fällt es leicht, mich zu verabschieden. Denn ich habe irgendwann begriffen: Wer beim Abschied heult, macht es nur noch schlimmer. Also heule ich nicht, weil diese Fußball-Weltmeisterschaft zu Ende ist. Ich bin nicht mal traurig. (Sie merken schon: Ich bin ein Abschiedsprofi, so ein bisschen Ende kann mich nicht schocken.) Ich bin erleichtert. Weil die Vuvuzelas in den Plastikmüll wandern und sich die Menschen in meiner Straße nicht mehr wie eine marodierende Herde Elefanten anhören. Weil ich nicht mehr andauernd fernsehen muss (kommt ja eh nix), und weil ich jetzt abends wieder lesen darf.

Ich bin aber auch ein bisschen wehmütig. Mein Leben war so schlicht strukturiert während der WM. Alles konzentrierte sich nur auf eine Sache: Fußball. Wann, wie, wo gucken, wer spielt, wer gewinnt, wer fliegt raus? Leute, die auch mal über was anderes reden wollten, habe ich ignoriert. Diese kompromisslose Art, durch den Tag zu marschieren, wird mir fehlen. Und ich bin wehmütig, weil es so schön war, sich täglich zu verlieben. In Jürgen Klopp, war ja klar, sind ja alle, ist ja immer so. In Mehmet Scholl, gleich hinterher. In Tim Wiese, weil er einfach mal nichts gesagt hat. Sowieso: in die deutsche Jungs-Nationalmannschaft im Allgemeinen und in Bastian Schweinsteiger im Besonderen, weil er unter den Jungs der Mann war. Dann noch in Sven Lorig und Anne Gesthuysen vom Morgenmagazin, in Vicente del Bosque und in die Haare von Diego Forlán, in Gennaro Gattuso (diese wütende Trauer!) und Maarten Stekelenburg, in Desmond Tutu und alle südafrikanischen Frauen, in den obersouveränen Schiedsrichter Howard Webb, in die Trikots der Elfenbeinküste und in einen blauen Kaschmirpulli.

Ich hab mich verliebt in das Flirren auf den Straßen vor wichtigen Spielen, und weil mein Stadtteil so bunt ist wie die deutsche Nationalmannschaft, lag dieses Flirren vor fast jedem Spiel in der Luft. Ich war hingerissen von diesen Turniermomenten, wenn die Augen glitzern. Ich war entzückt von der Art, wie Thomas Müller sich über den Ball schmeißt, bevor er schießt. Und ich weiß nicht, wie ich jemals Olli Kahns gemütliches kleines Bäuchlein vergessen soll.

Ach ja. Man muss loslassen können. Sagte ich auch zu meinem italienischen Freund, als unser Sohn, Hoffnung der Squadra Azzurra für die WM 2028, sich mit einem kleinen Mädchen um eine Deutschlandflagge balgte.