Spaniens Sportdirektor lobt den neuen Stil der DFB-Auswahl, aber er betont: “Wir sind das Original!“

Johannesburg. Die Anspannung war Fernando Hierro anzusehen, als er am Abend vor dem Abflug nach Durban eine Fußballausstellung im Sandton Convention Center besuchte. In Gedanken war der Sportdirektor der Nationalmannschaft Spaniens schon beim bevorstehenden Halbfinale gegen Deutschland. "Früher war es so, dass verschiedene Philosophien aufeinandergeprallt sind. Das ist bei dieser WM anders. Es wird ein Duell auf Augenhöhe", sagte er.

Die Spanier blieben ihrer Spielweise im Turnierverlauf treu, trotz der prekären Situation nach der Niederlage zum Auftakt der Gruppenphase gegen die Schweiz (0:1). "Wenn wir sterben, dann sterben wir mit unserer Idee", sagte Angreifer Fernando Torres vom FC Liverpool voller Pathos, und Trainer Vicente del Bosque verlangte genau diese Einstellung: "Wichtig ist, dass wir auf unsere Qualitäten vertrauen. Das macht uns stark."

Sein Vorgänger Luis Aragones hatte der Mannschaft "Tiqui-Taca" verordnet, dieses saubere, flüssige Kombinationsspiel, mit dem die Spanier vor zwei Jahren bei der EM begeisterten und "völlig überforderte deutsche Arbeiter" vorführten, wie die Zeitung "Marca" nach dem Finalerfolg voller Stolz analysierte. Auch del Bosque setzt auf "Tiqui-Taca", doch in Spanien haben sie erkannt, dass sich die Art des Rivalen verändert hat.

"Wir empfinden sehr großen Respekt für die Deutschen. Sie spielen ein fantastisches Turnier, haben so stark einzuschätzende Mannschaften wie England und Argentinien nicht nur besiegt, sondern beherrscht. Da war ein Klassenunterschied zu erkennen", sagte Hierro, einst Kapitän von Real Madrid und der Nationalmannschaft, der in Südafrika eine positive Entwicklung des Fußballs ausgemacht hat: "Ich bin sehr zufrieden, dass sich bei dieser WM das Offensivkonzept durchgesetzt hat. Dafür stehen wir, die Niederländer - und auch Deutschland."

Joachim Löw hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, wie sehr ihm die Spanier imponieren. "Sie legen großen Wert auf technischen Kombinationsfußball, auf Spielfluss, auf Spielkultur. Das ist immer ein Beispiel für einen Trainer wie mich, der es liebt, wenn Fußball zelebriert wird. Ich habe daher immer nach Spanien geschaut und darüber gestaunt, mit welcher Leichtigkeit sie Fußball spielen", bekräftigte der Bundestrainer und fügte hinzu: "Es war für mich schon früh klar: Das willst du auch, eine Mannschaft, die genau diesen Kombinationsfußball spielt. Darauf habe ich immer hingearbeitet."

Löw und Hierro sehen sich bestätigt. Das Defensivsystem, darauf ausgerichtet, ein Spiel zu kontrollieren und zu verwalten, hat ausgedient. Es ist nicht mehr zeitgemäß. Folgerichtig scheiterte Titelverteidiger Italien ebenso wie England mit dem italienischen Trainer Fabio Capello. "Wer Weltmeister werden will, muss offensiv ständig für Gefahr sorgen, die Aufgaben spielerisch und kreativ lösen", erklärte der Bundestrainer.

Während die Deutschen für ihren Mut zum Angriffswirbel belohnt wurden und in den bisherigen fünf Partien 13 Tore schossen, so viele wie keine andere Mannschaft, waren die Spanier abhängig von ihrem Superstar David Villa. Der Stürmer, unmittelbar vor der WM für 45 Millionen Euro vom FC Valencia zum FC Barcelona gewechselt, erzielte fünf von sechs Treffern.

"Ich vertrete die Meinung, dass nie Einzelne in den Vordergrund gestellt werden sollten. Denn wichtiger als jeder Spieler ist immer die Gruppe", sagte Sportdirektor Hierro. Doch in Südafrika habe sich Villa nun einmal in "sensationeller Form" präsentiert: "Es ist fundamental wichtig, so einen außergewöhnlichen Angreifer in den eigenen Reihen zu haben. Villa ist immer in der Lage, ein Spiel allein zu entscheiden."

Allerdings sind sich die Spanier der Tatsache bewusst, dass der Gegner stärker ist, als es die bisherigen waren. "Deutschland hat eine große Mannschaft mit hervorragenden Einzelkönnern. Es wird schwer, sie zu stoppen, denn sie haben einen Lauf und durch die Auftritte gegen England und Argentinien an Selbstvertrauen gewonnen", sagt Hierro, der die Spanier in dieser Hinsicht jedoch nicht im Nachteil sieht. "Die EM 2008 hat alles verändert. Wir mussten 44.Jahre darauf warten, wieder einen großen Titel zu gewinnen. Damit wurden alle Altlasten endgültig abgestreift. Die Jungs haben das Bewusstsein, für ihr Spiel belohnt zu werden. Dass andere versuchen, uns zu kopieren, ist ein Grund, stolz zu sein. Wir sind das Original."