Der Spanier verehrt den Fußball von Schweinsteiger und Co. - und hofft nach drei Monaten Torflaute auf seinen verspäteten Durchbruch im Halbfinale

Kapstadt. Wenige Minuten war der Einzug ins Halbfinale erst sicher, da hat sich Fernando Torres schon geoutet - als Fan des nächsten Gegners. Es ging nicht nur um dieses Turnier, die neue, ungewohnte Spielkunst der Teutonen, darum, dass "sie den Titel genauso oder noch mehr verdienen wie wir". Spaniens Mittelstürmer meinte das grundsätzlich. "Ich war schon immer ein großer Anhänger des deutschen Fußballs."

Boshaftigkeit wird man nicht finden vor diesem WM-Halbfinale, zumindest nicht bei ihm und seinen Landsleuten. Die Zeiten sind passé, als die Spanier den deutschen Fußball verabscheuten für das uninspirierte Spiel und fürchteten für die physische und mentale Stärke. Jetzt zeigen die Alemanes einen Stil, der den eigenen ästhetischen Vorlieben sehr nahe kommt, und Angst haben muss man auch nicht mehr seit jenem Juniabend 2008 in Wien, als Spanien gegen Deutschland seine 44 Jahre lange Titelsehnsucht beendete.

Das einzige Tor damals schoss Torres. So ein Tor hat er hier noch nicht geschossen, er hat überhaupt noch kein Tor. Erst dreimal brachte er überhaupt einen Schuss zwischen die drei Stangen zustande. Sein letzter Treffer datiert vom 8. April dieses Jahres, im Uefa-Cup gegen Benfica Lissabon.

So wenig torgefährlich er bisher in Südafrika war, so hart ackerte er, bevor er meist nach etwa einer Stunde vom Feld genommen wurde. Am Willen mangelt es als Letztes, eher ist Fernando Torres übermotiviert. Als seine erneuten Knieprobleme auftraten, entschied er sich sofort für eine Operation, um nicht durch konservative Behandlung und weitere Belastungen den WM-Start zu gefährden. Sein Arzt jedoch praktiziert in Barcelona - und ein gewisser isländischer Vulkan stornierte in jenen Tagen Europas Flugverkehr. Um keine Zeit verstreichen zu lassen, machte er sich im Auto auf die Reise von Nordengland nach Katalonien.

Torres ist gerade mal 26 Jahre alt, ihm stehen weitere Weltmeisterschaften bevor. Dennoch gibt es bei ihm fast so etwas wie Torschlusspanik. "Wir müssen diese Generation ausnutzen", sagt er. "So wie das Frankreich von Zidane, das Europameisterschaft und WM gewonnen hat. Wir wollen unsere goldene Epoche leben. Wenn wir hier nicht gewinnen, werden wir eine Möglichkeit vergeben haben, und wer weiß schon, ob wir noch eine nächste bekommen."

Sein Trainer bemerkt den Druck natürlich auch, unter den Torres sich gesetzt hat. Doch bislang hat Vicente del Bosque eisern an ihm festgehalten. Den zahlreichen Kritikern in der Heimat, die anstelle von Torres lieber den jungen Fernando Llorente oder Mittelfeldmann Cesc Fàbregas von Beginn an sehen würden, entgegnet er gebetsmühlenartig, dass Torres in seiner Stunde die Gegner erst so müde spiele, dass die Einwechselspieler umso mehr glänzen könnten - sie, und natürlich David Villa, der fünffache Torschütze bei dieser WM, dem nur noch ein Treffer fehlt, um Raúls Rekord von 44 Toren für die "selección" einzustellen.

Zu dieser Nachfolge des Bald-Schalkers war eigentlich mal Fernando Torres auserkoren, doch das Wunderkind, das mit 15 seinen ersten Profivertrag bei Atletico Madrid unterschrieb, steht erst bei 24 Toren in 78 Länderspielen. Auch bei der EM vor zwei Jahren traf Villa bis zum Finale viermal, Torres nur einmal. Bis im Finale Torres' großer Auftritt folgte.

Dass der auch hier noch kommt, darauf hofft Del Bosque. "Er ist unsere Referenz im Angriff, wir vertrauen ihm vollkommen", sagt er über sein Problemkind. Anders als vor den letzten Spielen wollte er ihm bislang allerdings keine definitive Einsatzgarantie für das Halbfinale ausstellen. Vielleicht bleibt Fernando Torres auch erst einmal auf der Bank - als letzte Waffe. Denn so sehr er die Deutschen auch lieben mag, auf der Gegenseite dürften sie ihn eher fürchten. Sie haben an jenem Juniabend in Wien ja aus nächster Nähe erlebt, welch perfekter Mittelstürmer er sein kann.