Mit seinen Treffern gegen Argentinien hat er Gerd Müller eingeholt. Jetzt liegt nur noch Ronaldo vor ihm

Erasmia. Miroslav Klose hatte sich einen klaren Auftrag erteilt: "Ich wusste, dass ich während dieser WM noch einen Salto zeigen würde. Auf meiner Homepage hatten meine Fans diese Einlage gefordert." Seine letzte Turnübung war so lange her, dass er sich selbst nicht mehr daran erinnern konnte. Nach seinem zweiten Treffer zum 4:0 gegen Argentinien war es so weit: Ein paar Schritte Anlauf, dann hob er ab zu seinem berühmten Vorwärtssalto, den er sich nur noch für die besonderen Momente aufhebt. "Eine spontane Reaktion, aber jetzt freue ich mich, dass es geklappt hat." Es war der gelungene Abschluss eines für ihn denkwürdigen Nachmittags. Ausgerechnet in seinem 100. Länderspiel holte der 32-Jährige mit seinen DFB-Toren 51 und 52 den mit 14 Treffern in der ewigen WM-Torschützenrangliste zweitplatzierten Gerd Müller ein. Es waren seine Turniertreffer drei und vier in vier WM-Spielen. Bei den Bayern schaffte er in der vergangenen Saison bei 25 Einsätzen gerade einmal drei Tore.

Noch ein Tor mehr, und er würde mit dem Brasilianer Ronaldo gleichziehen, der mit 15 WM-Toren den Rekord hält. Doch Klose wäre nicht Klose, würde er nicht sagen: "Das wäre zwar Wahnsinn. Aber Torschützenkönig zu werden ist nicht mein primäres Ziel. Wichtig ist immer die Mannschaft, sie steht immer an Nummer eins. Müsste ich es mir aussuchen können, werde ich lieber Weltmeister."

Dass das frühere "Phänomen" Ronaldo böse wäre, käme es anders, glaubt Klose nicht: "Wir haben nach dem WM-Finale 2002 gesprochen, da war er ganz freundlich. Ich hoffe, er bleibt so. Damals hätte ich nicht gedacht, dass ich acht Jahre später hier sitze und ihn überholen könnte."

Gemäß den Gesetzen seiner persönlichen Statistik müsste Klose tatsächlich noch mindestens einmal treffen, schließlich konnte der Bayern-Stürmer während der WM 2002 und der WM 2006 jeweils fünfmal ins Tor zielen. Im Normalfall würde sich diese Diskussion allerdings gar nicht mehr stellen. Nachdem ihn Thomas Müller in der ersten Hälfte freigespielt hatte, stand Klose mit dem Ball vor Argentiniens Romero, zielte jedoch über das Tor.

Von einer für ihn viel schwierigeren Aufgabe bleib er jedoch verschont. Der Stürmer, der vor dem gegnerischen Tor derzeit (fast) keine Nerven kennt, war nach dem Erfolg etwas nervös durch die Katakomben gestromert. Es wartete eine Aufgabe auf ihn, die er mehr fürchtete als den entscheidenden Strafstoß im Elfmeterschießen des WM-Finales zu schießen. Er musste eine Rede halten. Zum Anlass des 100. Länderspiels gibt es bei der Nationalmannschaft ein Ritual: Der Jubilar muss vor der Gemeinschaft sprechen. Allerdings entging Klose am Sonnabend dieser "Ehre".

Nach der Ankunft in Erasmia gegen 23 Uhr und in den allgemeinen Feierlichkeiten geriet das gemeinsame Abendessen zum Provisorium - und Kloses Redepflicht in Vergessenheit. "Da war ich bestimmt nicht böse drüber, aber ich befürchte, ich muss später doch noch ran", sagte der Angreifer des FC Bayern München.

Bundestrainer Joachim Löw, der unbeirrt an seinem Lieblingsstürmer festhielt, als alle anderen stark bezweifelten, ob er noch einmal in die erforderliche WM-Form kommen könnte, freute sich ganz besonders: "Er hat überragende Qualitäten, an denen ich nie gezweifelt habe. Er hat bei seinen drei WM-Teilnahmen immer klasse Leistungen gezeigt. Was er geleistet hat, ist auf allerhöchstem Niveau. 14 WM-Tore - in Deutschland hat er schon Geschichte geschrieben."

Die jetzt gegen Spanien weitergeschrieben werden soll. "Im EM-Finale waren sie stärker als wir, aber wir sind auch besser als 2008. Und ich bin sicher, dass wir sie schlagen können." Mit einem Klose in der derzeitigen Verfassung auf jeden Fall, das glaubt auch Franz Beckenbauer. "Jetzt lebt er. Bei Bayern hat er nicht gelebt. Wenn er eingewechselt wurde, ist er rumgeschlichen wie ein geschlagener Hund. Er war nicht der, den man jetzt sieht. Er blüht auf. Ich traue ihm zu, dass er in den zwei Spielen noch das eine oder andere Tor macht." Was dann danach kommt, darüber macht sich Klose keine Gedanken: "Wenn wir Weltmeister werden, können sie mit mir machen, was sie wollen. Dann fahre ich überall hin", antwortete er auf die Frage, wie er nach dem Turnier abschalten und das Ende seiner WM-Laufbahn verarbeiten wolle.

Bis zur EM in Polen und der Ukraine in zwei Jahren möchte er aber auf jeden Fall weiter das Nationaltrikot tragen. Schließlich gilt es noch, einen weiteren Rekord zu brechen. In der ewigen Liste der deutschen Torjäger führt Gerd Müller mit 68 Toren. Der brauchte zwar nur 62 Länderspiele dafür, aber wenn Klose auch noch diesen Rekord knacken würde, wäre es ihm sicher egal, ob es im 120. oder 130. Länderspiel passieren würde.