Dank kleiner Korrekturen und Torjäger David Villa findet Europameister Spanien zurück zum Erfolgsweg von 2008

Kapstadt. Es war Gerard Piqué, der die geschichtliche Einordnung der nächsten Aufgabe vornahm. "Seit vielen Jahren hat Spanien bei einer WM kein Viertelfinale überstanden", erinnerte sich der Innenverteidiger nach dem hart erkämpften 1:0 (0:0) gegen Portugal. Fußballhistoriker mochten einwenden, dass Piqué damit ausnahmsweise danebenlag, denn Spanien hat überhaupt noch nie ein Viertelfinale überstanden. Beim vierten Rang 1950, der besten WM-Platzierung, gab es keine Runde der letzten acht. Doch an Gerard Piqués Botschaft änderte das wenig, sie lautete: Perspektive behalten.

Es wird ja leicht vergessen, welches Leichtgewicht die Spanier bei den Kräftemessen der Welt bislang immer waren, angesichts ihrer Favoritenrolle vor diesem Turnier. Unter jener exponierten Stellung hat die Mannschaft in Südafrika stark gelitten, vor allem nachdem ihr gleich die Auftaktniederlage gegen die Schweiz vor Augen geführt hatte, dass "der Weg bei einer WM nicht über Rosen führt", wie Piqué betonte. Im Viertelfinale (Aus 1986, 1994, 2002) wartet nun Paraguay, ein ähnlich defensivstarker Block wie der Nachbar Portugal - aber natürlich mehr als schlagbar für dieses hoch veranlagte Team. Dann wäre es erstmals in einem WM-Halbfinale - gegen den Sieger des Duells Deutschland gegen Argentinien. Niemand könnte zu Hause mehr sagen, diese WM war ein Desaster.

Und dann, befreit vom Druck, wird der Zuschauer vielleicht doch noch das ganz große Spanien sehen. Angedeutet hat es sich gegen Portugal, als zunächst ein furioser Zwischenspurt das Siegtor von David Villa erbrachte und danach hohe Ballsicherheit eine Reaktion verhinderte. Doch Spektakel war das nur ansatzweise. Während Iniesta und Xavi mit Außenrist und Hacke den einzigen Treffer choreografierten, saßen die anderen zwei der vier "Kurzen", der von Valencia zu Manchester City wechselnde David Silva und Cesc Fabregas, wieder auf der Bank. Beim EM-Finale 2008 gegen Deutschland, dem Meisterstück der spanischen Schule, hatte noch das komplette Quartett gespielt.

Der Abend von Wien jährte sich in Kapstadt auf den Tag genau, auch Trainer Vicente Del Bosque hat das Jubiläum aufgegriffen. "Ich möchte daran erinnern, dass ich dem Weg von damals fast exakt folge", sagte er, an seine Kritiker gewandt, die ebendies bezweifeln. Nur "kleine Retuschierungen" habe er vorgenommen, und weiter musste sich Del Bosque auch nicht rechtfertigen. Diesmal hatten schließlich erst seine Pinselstriche den Sieg erbracht. So bedauernswert es auch ist, dass er in seinen Aufstellungen die Balance gegenüber dem Talent bevorzugt - die Einwechslung des wuchtigen Stürmers Fernando Llorente erwies sich als idealer Schachzug. Erst seine Strafraumpräsenz gab der Partie die Wendung.

Del Bosque lobte danach vor allem seine Fußsoldaten - "anonyme Spieler wie Busquets und Capdevila". Die Innenverteidigung, den majestätischen Piqué und den felsenfesten Carles Puyol, hätte er genauso gut erwähnen können. "Unsere Abwehr war sensationell", sagte Xavi, der "insgesamt ein gutes Spanien und in der zweiten Hälfte ein großes Spanien" gesehen hatte. "Es war unser bestes Spiel bei dieser WM."

Später diskutierte er mit den Reportern noch über das Siegtor. "Das war Abseits, oder?", fragte Xavi. "Ja", antwortete einer, "Nein" ein anderer, "Vielleicht" ein Dritter. Für Gegner des Videobeweises war es jedenfalls eine gute Szene, nicht einmal Superzeitlupen konnten die Angelegenheit klären. Allzu große Polemik blieb deshalb aus, und Xavi hielt es sowieso lieber mit einem anderen Thema: "Der Guaje hat einen Lauf, das müssen wir weiter nutzen."

"El Guaje", auf Deutsch "der Bursche", ist der Spitzname Villas. Er ist auf dem besten Weg, wie schon bei der EM bester Turniertorschütze zu werden. Vier Treffer hat er erzielt, genauso viele wie der Argentinier Gonzalo Higuain von Real Madrid - auf den Villa, künftig spielt er beim FC Barcelona, im Halbfinale treffen kann. Ein Stellvertreterkrieg der beiden Großklubs, wie ihn Spaniens Sportpresse liebt, doch davon wollte Villa nichts wissen. "Ich habe von einem Tor gegen Portugal geträumt, jetzt träume ich von einem gegen Paraguay", erklärte er. Schritt für Schritt sieht sich Spanien wieder in der Spur zu seiner besten WM der Geschichte - in welchem Modus auch immer.