Simone Buchholz kommentiert die Übertragung des Deutschland-Länderspiels

Gestern vor dem Achtelfinale der Deutschen gegen England, vor der Mutter aller WM-Paarungen, hab ich nachgedacht. Soll ich über den bösen, aber lustigen englischen Humor schreiben? Oder soll ich über den schlechten, aber lustigen englischen Torwart schreiben?

Ich war schon bei David James, dem Fliegenfänger im Kanarienvogelkostüm, den man ja ganz herrlich in der Luft zerreißen könnte. Mit seiner Boygroup-Frisur, für die er vielleicht einen TICK zu alt ist. Ich hatte mich schon richtig auf Calamity James eingeschossen, als etwas passierte, das mir bei dieser Weltmeisterschaft noch kein einziges Mal passiert ist. Das Spiel hat mich gepackt.

Ich glaube, es geschah in dem Moment, als ich Podolskis Gesicht sah, direkt nach seinem Tor. Junge, was für ein Lachen. Ball drinne, alles gut. Da wusste ich: Pfeif auf englischen Humor, pfeif auf englische Torhüter. Ab jetzt regiert das Gefühl für meine Mannschaft. Die Leichtigkeit im Kopf während der komfortablen Führung. Die Ernüchterung im Nacken beim Anschlusstreffer. Dann der Schreck. Ein dumpfer Schlag in den Bauch. Ist dann aber nur eine Schrecksekunde. Ist Revanche für Wembley. Die Genugtuung kommt sofort. Und - huch - Schadenfreude. Das hab ich echt selten, dass ich mich über das Pech von anderen freue. Diesmal freue ich mich richtig. Und die Erleichterung ist groß, reicht bis in die Halbzeitpause.

Danach ist sie aufgebraucht und einer Art ungeduldiger Anspannung gewichen. Oder, um bei der Wahrheit zu bleiben: einer german angst. Zittrig. Das wackelt. Lieber nicht hingucken? Atmen nicht vergessen. Kurz vor Schwindelanfall. Das einzige gute Gefühl trägt den Namen Friedrich auf dem Rücken (und wenn mir das einer vor vier Wochen erzählt hätte, hätte ich mich totgelacht).

Dann plötzlich und wirklich, wirklich unerwartet: totales Ausflippen. Die Hunde in unserer kleinen Hinterhof-TV-Gruppe bellen, die Kinder weinen, die Erwachsenen drehen durch vor Freude. Und gleich das nächste Tor! Überhebliches Ausflippen: "So, jetzt fahrt ihr mal schön mit 'ner Packung nach Hause, ihr blöden Engländer."

Herrgott, bin ich entspannt. Nur die tiefe Enttäuschung der englischen Fans, die tut ein bisschen weh. Für Fabio Capello hingegen empfinde ich: nichts. Dann ist das Spiel aus, aus, aus, das Spiel ist aus. Hurra. Ja, ein Doppel-Hurra, weil Thomas Müller so niedlich seine Großeltern grüßt.