Während Argentinien in der Offensive brilliert, ist die Defensive um Münchens Demichelis anfällig

Hamburg. Zumindest statistisch gesehen sind die Argentinier die unumstrittene Nummer eins dieser Weltmeisterschaft. Zwar gewannen auch die Niederländer alle ihre Turnierspiele, aber nur die Südamerikaner schafften bislang vier Siege und wurden damit ihrer Rolle als Mitfavorit gerecht: 1:0 gegen Nigeria, 4:1 gegen Südkorea, 2:0 gegen Griechenland und nun 3:1 gegen Mexiko, so lautet die Bilanz. Vor der WM gab es in einem Testspiel gegen das deutsche Team einen 1:0-Erfolg. Das Tor erzielte Gonzalo Higuain von Real Madrid, mit vier Treffern bislang auch bester WM-Schütze. Trainer Diego Maradona legte sich anschließend fest und sprach den Deutschen die Rolle eines WM-Favoriten ab.

Der Trainer: ZDF-Reporter Bela Rethy fasste beim letzten Gruppenspiel der Argentinier in Worte, was sich viele Fußballfans schon länger fragen: Ist Argentinien bei dieser WM trotz oder wegen Maradona so stark? Eine definitive Antwort darauf wird sich womöglich nie finden lassen. Der einstige Supertechniker und Weltmeister von 1986 scheint aber nach vielen Irrungen und Wirrungen in seinem Trainerjob angekommen zu sein. Noch in der Qualifikation, die Argentinien hinter Brasilien, Chile und Paraguay nur als Vierter der Südamerika-Gruppe abschloss, stand der Exzentriker, der vor seinem Engagement als Nationalcoach kaum Trainer-Erfahrung vorweisen konnte, heftig in der Kritik. Mittlerweile steht sein Ruf als Volksheld längst nicht mehr auf dem Spiel. Im Gegenteil. Der 49-Jährige, der mit seinem Weltmeistertrainer Carlos Bilardo, 71, einen Strategen an seiner Seite weiß, schillert wie lange nicht mehr. Er gibt den Motivator und zieht alle Aufmerksamkeit auf sich, seine Spieler können sich dadurch auf Tore und Triumphe konzentrieren.

Der Star: Maradona hält Streicheleinheiten für jeden seiner Spieler bereit: ein Küsschen für Higuain, eine herzliche Umarmung für Bayern Münchens Martin Demichelis, ein Klopfer auf den Po von Maxi Rodriguez (FC Liverpool). Sein absoluter Lieblingsschüler ist aber das Aushängeschild des Teams: Lionel Messi, 23. "Messi ist der beste Spieler der Welt", sagt Maradona. "Ich hoffe, dass er das Team zum Titel führen kann, wie es mir 1986 gelungen ist." Dem nur 1,69 Meter großen Ausnahmespieler, der gegen Mexiko ausnahmsweise einmal nicht überragend spielte, fehlt bei der WM allerdings weiter ein Torerfolg. 34 Treffer in 35 Ligaspielen mit dem FC Barcelona sprechen aber für die Gefährlichkeit des Supertechnikers, der anders als viele andere Stars auch am Ende einer langen Saison nichts von seiner Lust am Fußball eingebüßt zu haben scheint. Messi will spielen, dribbeln, zaubern - die entscheidende Frage ist, ob man ihn lässt.

Die Stärken: Die Qualitäten der Argentinier in der Offensive sind nicht nur wegen des jungen Kapitäns Messi unbestritten. Maradona könnte es sich sogar erlauben, seinen besten Torschützen Higuain auf der Bank zu lassen, verfügt er doch mit Sergio Aguero (Atletico Madrid), Diego Milito (Inter Mailand) oder Carlos Tevez (Manchester City) über namhafte Alternativen. Wenn Messi als Spielmacher hinter einer Doppelspitze agiert, sichert hinter ihm eine Dreierreihe ab und unterstützt ihn gleichzeitig in seinen Angriffsbemühungen. Spieler wie Maxi Rodriguez, der in die argentinische Liga zurückgekehrte Altstar Juan Sebastian Veron oder Angel di Maria von Benfica Lissabon stehen dafür bereit.

Die Schwächen: Auch wenn sie bislang nur zwei Gegentore zuließen, sind die Argentinier in der Defensive verletzlich, wenn man schnell spielt, sie unter Druck setzt. "Ein einziger Fehler kann das Aus bedeuten", warnte zuletzt Innenverteidiger Demichelis. Er selbst ist nicht der einzige Akteur im nicht immer sattelfesten Abwehrverbund, der immer für einen solchen gut ist.

Die WM-Bilanz: 2006 war für den zweimaligen Weltmeister (1978, 1986) im Viertelfinale Endstation. Deutschlands Torhüter Jens Lehmann sorgte mithilfe seines geheimnisvollen Spickzettels für das Aus im Elfmeterschießen. Nun steht also die Revanche an. Insgesamt gab es fünf WM-Duelle zwischen den beiden Teams, nur einmal, beim 3:2 im Endspiel 1986, ging Argentinien als Sieger vom Platz. Die Gesamtbilanz spricht allerdings für die Albiceleste: In 18 Spielen gegen Deutschland gab es für sie acht Siege, fünf Unentschieden und fünf Niederlagen.