Argentiniens Nationaltrainer Diego Maradona sorgt mit seiner exzentrischen Art für Stimmung

Pretoria. Man kann über Diego Maradona sagen, was man will, aber ohne ihn wäre diese WM ärmer. Jeden Kiez-König stellt der Bärtige mit seiner Lockenpracht in den Schatten, aus den Ohren blitzen Brillanten, die glitzernden Ringe an allen Fingern kombinieren zu einer Art Schlagring, der Reihe nach knöpft er sich mit Argentinien die Gegner vor wie zuletzt die Griechen, an spielfreien Tagen beleidigt er Platini und Pelé - und als Nächster ist zweifellos Brasiliens Staatspräsident dran.

Luiz Inacio Lula da Silva hat, in Erwartung eines Endspiels gegen den Erzfeind, den Psychokrieg sicherheitshalber eröffnet und gedroht: "Wir werden Weltmeister - weil die Argentinier am Ende vom Sex saft- und kraftlos sind." Den Sündenbock hat er beim Namen genannt: Maradona. "Amüsiert Euch", rät er den Seinen nämlich. Die freilaufenden Hühner sind die glücklichsten, sagt sich der argentinische Volksheld, und deshalb sind seine Spieler bei dieser Weltmeisterschaft die einzigen, die auch dann noch ungeniert das Leben genießen dürfen, wenn die Kicker der Konkurrenz schon im Bett sind - solo.

Liebe, Lust und Leidenschaft - wie ernst es Maradona mit seiner Trainerphilosophie ist, zeigt er in jedem Spiel. Am Dienstag gegen die Griechen hat er seinen Mittelfeldmann Maxi Rodriguez ausgewechselt und ihn mit einem dicken Schmatz auf den Mund empfangen. Legendär geriet seine Pressekonferenz zum Thema nach dem 4:1 gegen Südkorea. "Diego", fragte ein Journalist, "habe ich das richtig gesehen - Du hast Deine Spieler nach dem Abpfiff umarmt und geküsst?" "Ja", nickte Maradona, ergänzte aber vorsichtshalber: "Frauen ziehe ich immer noch vor. Zurzeit treffe ich mich mit Veronica." 31 ist Veronica - und schön blond.

Was wird jetzt Natalia sagen?

Nein, auch Natalia ist nicht Diegos Ehefrau. Natalia Rosas Muniz ist 19 und Sängerin und Model, und als er einmal einsam war, in jener schlaflosen Nacht vor dem alles entscheidenden WM-Qualifikationsspiel gegen Uruguay in Montevideo, war sie für ihn da und hat ihn, wie sie der Welt kürzlich brühwarm verriet, mit Haut und Haaren beglückt. Anderntags gewann Argentinien 1:0, und Maradona hat aus diesem Schlüsselerlebnis offenbar seine taktischen Lehren für die WM gezogen: Weltmeister wird man nur entspannt.

Ist das wirklich so?

Die meisten Trainer beugen diesem Substanzverlust vor und werfen sich ihren Spielern in den Schritt. Carlos Alberto Parreira hat seinen südafrikanischen Stürmerstar Benni McCarthy und Ersatztorwart Fernandes noch kurz vor der WM aussortiert aufgrund eines unterhaltsamen Beisammenseins mit einer aparten Gestalt im Hotelzimmer. "Entertaining a Woman" hieß das Delikt - besser hätten die beiden es beim alten Hausmittel der Triebregulierung belassen: hart trainieren, kalt duschen.

Fabio Capello, Englands Teammanager, soll im WM-Hotel anfangs sogar mittels Kameraüberwachung nächtliche Besuche der sogenannten Wags - "Wives and Girlfriends" - erschwert haben. Immerhin entlassen die meisten Trainer ihre Ballzauberer an freien Tagen gnädig auf einen Sprung zu ihren Lieben, wobei jeder dann selbst entscheiden darf, was er tut. Brasiliens Trainer Carlos Dunga weiß: "Die einen mögen Wein, die anderen Eiscreme, die dritten Sex."

Die Brasilianer tendierten nach Augenzeugenberichten bisher eher zu drittens. Romario etwa ließ sich beim Rückblick in die fröhliche Vergangenheit so zitieren: "Ich hatte einmal schon auf der Anreise im Flugzeug Sex. Im Hotel warteten Frauen. Niemand hat es bemerkt." Dunga passt besser auf.

Besser als Diego. Dessen Leichtigkeit im Umgang mit Lust und Libido führt inzwischen schon fast zu diplomatischen Verwicklungen - doch ungeachtet der lästerlichen Schlappschwanz-Rede des brasilianischen Staatschefs bleibt Maradona steif und fest bei seiner Philosophie, zu oft hat er sie wohltuend am eigenen Leib verspürt. Wenn ihm nach Tagen der tapfer erduldeten Enthaltsamkeit der Hals anschwoll, hat Diego schon als Spieler nie lange auf die Zähne gebissen, und deshalb stoßen alle Warnungen des Mannschaftsarztes Donato Villani in Richtung der Mannschaft ("Es sollte nicht um zwei Uhr morgens passieren, womöglich mit Champagner und einer Havanna im Mund") wohl auf taube Ohren. Maradona jedenfalls hat immer gern eine gepafft, bei Tag und Nacht.

Wie die Sache ausgeht?

Bisher ist von Müdigkeit bei den Argentiniern nichts zu spüren, und über die alte Devise des griechischen Kollegen Otto Rehhagel ("Die eigene Frau ist das beste Trainingslager") kann Maradona spätestens nach dem lockeren 2:0 am Dienstag nur lachen. Den Brasilianern, munkelt man im argentinischen Lager, wird er es nach dem gewonnenen Endspiel vollends geben, vermutlich mit der Frage, warum wohl Pelé für Viagra wirbt. Doch im Moment zählt für Maradona nur Veronica, bis auf Widerruf. Ach ja, fast hätten wir jetzt diese andere Blonde in der vorderen Reihe vergessen, die bei der Pressekonferenz neulich die letzte Frage stellte. "Diego", begann sie, "wir haben einander vor vielen Jahren in Italien kennengelernt." "Da kann ich mich jetzt gar nicht erinnern", antwortete Maradona neugierig. Das wird sich notfalls klären lassen, er ist mit seinen Argentiniern ja noch ein Weilchen da.