Der Mittelfeldmann beschimpfte und bedrohte Journalisten unflätig

Donezk. Außer einem Autobahnkreuz und einer Apotheke gibt es nicht viel in Gavotte-Peyret. Wer von den rund 10 000 Einwohnern einen Job hat, pendelt zum Arbeiten ins 20 Kilometer entfernte Marseille, die Übrigen suchen nach anderen Möglichkeiten, den trostlosen Ort hinter sich zu lassen. Samir Nasris Sprungbrett war vor zwölf Jahren eine Berufung ins Jugendteam von Olympique Marseille. Inzwischen ist der Offensivspieler bei Manchester City und in der französischen Nationalmannschaft angekommen, verdient Millionen im Jahr und war einer der Hoffnungsträger der "Grande Nation" bei dieser EM. Er ist rausgekommen aus Gavotte-Peyret. Aber Gavotte-Peyret offensichtlich nicht aus ihm.

Nach dem 0:2 im Viertelfinale gegen Spanien entlud sich in den Katakomben der Donbass-Arena zu Donezk, was schon seit Turnierbeginn in dem 24-Jährigen gebrodelt hatte. Nasri, der sein Tor im Auftaktspiel gegen England mit abfälligen Gesten in Richtung Pressetribüne gefeiert hatte, saß schon frisch geduscht im Teambus. Doch er hatte etwas in der Kabine vergessen und musste noch einmal zurück. Als er zum zweiten Mal an den wartenden Journalisten vorbeiging, verlor er die zuvor mühsam aufrechterhaltene Contenance. Weil ein Reporter die Gründe für die harmlose Vorstellung wissen wollte, wäre ihm Nasri beinahe an die Gurgel gegangen. Der Begriff "Hurensohn" war noch der harmloseste in seinem Verbalgewitter, das in dem Angebot endete, die Angelegenheit vor der Tür zu regeln.

Bei der WM vor zwei Jahren in Südafrika hatten Nicolas Anelka und Kapitän Patrice Evra eine Meuterei gegen Coach Raymond Domenech angezettelt. Der Trainingsboykott und die Rangeleien im Teamhotel sind als einer der größten Skandale in die WM-Geschichte eingegangen. Ausgerechnet Nasri, der 2010 aussortiert worden war und dafür unter anderem die negative Berichterstattung über ihn verantwortlich gemacht hatte, war nun mit dem Vorsatz in die Ukraine gereist, "das Bild der Nationalmannschaft etwas zu verbessern". Davon kann nun keine Rede mehr sein. "Es ist sehr bedauerlich für sein persönliches Image und das des Nationalteams", sagte Nationaltrainer Laurent Blanc, und Verbandspräsident Noël Le Graët kündigte eine Anhörung des Mittelfeldspielers an.

"Das logische Ende dieses Turniers", titelte die Sportzeitung "L'Equi pe". Unter dem Strich steht Frankreichs Fußball nun fast wieder dort, wo er vor zwei Jahren schon war: vor einem Scherbenhaufen.