Die Jubel-Fotos sollen das Bild korrigieren, das man von der sonst so sachlichen Kanzlerin hat

Berlin/Danzig. Nach dem Motto "Bring mich zum Rasen" hatte die Kanzlerin ihren grünen Blazer ausgewählt. Denselben, mit dem sie vor zwei Wochen schon zum Quartiersbesuch in Danzig erschienen war. Das zeugte von Optimismus, und der war, wie man am Freitagabend beim Spiel der Deutschen gegen die Griechen feststellen konnte, ja auch sehr berechtigt. Als kleiner Nebeneffekt ergab sich, dass man die Bundeskanzlerin in ihrer grünen Jacke sehr schön aus der dunkel gekleideten Männergesellschaft herausleuchten sah, die sie umgab.

Während sich die Griechen im Stadion über Merkels Jubel ärgerten und dann kräftig in ihre Richtung buhten, wunderte man sich zu Hause einmal mehr darüber, dass die Frau, die in der Politik so gerne als "Eiserne Lady Europas" bezeichnet wird - das englische Magazin "New Statesman" zeigt die deutsche Bundeskanzlerin auf dem Cover seiner aktuellen Ausgabe gerade als Terminator -, beim Fußball so ausflippen kann. Eine Frage, die sich angesichts der Bilder vom 4:2 vermutlich jeder stellt, lautet: Würde man sich selbst als Bundeskanzlerin auf die Tribüne setzen, wenn man wüsste, dass das dabei rauskommt? Nee, würde man nicht.

Im Umkehrschluss bedeutet das natürlich, dass man keine blasse Ahnung vom politischen Geschäft hat. Denn selbstverständlich verbindet die stets beherrschte, überaus sachliche und vernunftorientierte Angela Merkel mit diesen kindlich-harmlosen Auftritten eine Absicht. Die Fotos sollen das Bild korrigieren, das man sich von ihr gemacht hat. Nach dem Motto: Ich kann auch anders! Das klappt daheim ganz gut, bringt aber, wie man sich denken kann, die Griechen und ein paar andere nur noch mehr in Rage.

Tatsächlich hatte die Kanzlerin den italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti gebeten, ein Vierertreffen in Rom mit dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy und dem französischen Präsidenten François Hollande vorzuverlegen, damit sie rechtzeitig in Danzig sein konnte, um den erwarteten Sieg der deutschen Nationalmannschaft zu feiern.

Die Nationalmannschaft ist inzwischen nicht mehr überrascht, die Bundeskanzlerin so aus dem Häuschen zu sehen. Als normalen Fußballfan. Der sie natürlich nicht ist, denn normale Fußballfans haben keinen Zutritt zur Kabine. Schon gar nicht, wenn die Spieler noch unter der Dusche stehen wie Bastian Schweinsteiger, der Merkels Glückwünsche verpasste und dann nur noch "kurz 'Hallo'" sagen konnte.

Normal ist allerdings inzwischen der lockere Umgangston zwischen der Kanzlerin und den Spielern, denn man hatte sich ja schon während der WM 2006 zu einem ungezwungenen Abendessen getroffen und 2010 in Südafrika auch. "Es war wieder schön, dass sie da war", hat Philipp Lahm am Freitag gemeint. Und natürlich weiß man auch, was die Kanzlerin in der Kabine gesagt hat. Zum Beispiel, dass sie "anfangs gebibbert" habe, bis sie den Eindruck gehabt habe, "Sie waren überlegen". Und: "Weiter so!", weil sie gegebenenfalls zum Finale in Kiew kommen würde.

Mit Verlaub: Auf die Bilder ist man jetzt schon gespannt. Angela Merkel neben dem Mann auf der Tribüne, der seine politischen Gegner ins Gefängnis stecken lässt? Das geht doch gar nicht. Oder doch?