Bei dieser EM-Endrunde präsentieren sich die Zuschauer so bunt und kreativ wie nie

Wer sind bisher die unumstrittenen Stars dieser EM? Natürlich die Fans! Anders als Mesut Özil oder Cristiano Ronaldo haben die Anhänger längst zu ihrer Topform gefunden. Vorbei sind die Zeiten, als zum Equipment eines "Supporters" (Unterstützer) neben einer Flasche Bier noch maximal ein Trikot, ein Schal und eine Fahne gehörten. Schweden, die in ihren körperbetonten gelb-blauen Einteilern eher an überdimensionierte Verhütungsmittel erinnerten, englische Ritter, die sich fröhlich auf ihren europäischen Beutezug begeben haben, oder deutsche Fans, die alle verfügbaren Körperteile mit der sonst eher wenig trendigen Farbkombination Schwarz-Rot-Gold umhüllen - die Menschen in Polen und in der Ukraine nutzen das Zusammentreffen bei der EM zu einem Verkleidungsfest, das an Karneval erinnert. In tschechischen Zeitungen gab es sogar Malanleitungen für die Flagge im Gesicht, damit es bei der Reihenfolge der Farben nicht zu hässlichen Verwechslungen kommt.

Ähnlich wie in Prunksitzungen blieb auch beim Tribünenfasching der Schmäh nicht aus, worunter vor allem die Bundeskanzlerin zu leiden hat. "Alle unsere Schulden für eine Nacht mit Frau Merkel", machten griechische Fans Deutschland schon vor dem Aufeinandertreffen am Freitag ein unmoralisches Angebot. Für Aufsehen hatten auch irische Anhänger gesorgt, die vor dem Abflug nach Danzig ein Foto twitterten, das sie mit dem Spruch zeigte: "Angela Merkel thinks, we're at work" ("Angela Merkel glaubt, wir arbeiten").

Die Sorge, dass sich nach dem Ausscheiden von Polen und der Ukraine die Begeisterung in den Gastgeberländern stark abkühlen könnte, ist gering. Auch 2008, als weder die Schweiz noch Österreich die Gruppenphase überstanden, blieben die Stadien voll. Die schwierige Aufgabe lautet nun eher, sich die richtige Lieblingsmannschaft zu suchen. Laut einer Umfrage wollen 66 Prozent der Polen nun entweder Spanien oder Deutschland unterstützen. Kaum eine andere Mannschaft wird im Internet so heiß diskutiert wie Joachim Löws Team. "Wie kann man als Pole die Schwaben unterstützen?", heißt es in einem Fan-Forum. "Szwab" ist in Polen ein Schimpfwort für Deutsche.

So oder so: Die EM erhitzt die Gemüter - auch die der ukrainisch-orthodoxen Kirche. Sie hat genug von der Fußball-EM. Während die katholische Kirche in Polen die Fans mit eigens arrangierten Messen willkommen geheißen hatte, grollte Patriarch Filaret, das Oberhaupt der orthodoxen Gläubigen, jetzt. "Die Kirche heißt die Ekstase nicht gut, in die die Leute fallen, wenn sie ein Spiel schauen", sagte der 83-Jährige und kritisierte: "Schauen Sie diesen Leuten mal ins Gesicht, das sind doch keine Menschen mehr, die sehen eher aus wie Affen." Es sei eine Sünde, wenn Menschen sich nicht mehr im Griff hätten: "Dann trinken sie und prügeln sich." Vielleicht sollte sich Filaret diese Bilder anschauen. Dass die Menschen darauf einige Kaltgetränke zu sich nahmen, ist nicht auszuschließen. Aber prügeln? Niemals.