Mittelfeldstar Sami Khedira über die Sehnsucht nach dem EM-Titel, José Mourinhos Ehrlichkeit und das Duell gegen die Griechen

Hamburg. Mario Gomez? Bastian Schweinsteiger? Philipp Lahm? Wenn es um Deutschlands konstantesten Spieler bei der Europameisterschaft geht, fällt meist nur ein Name: Sami Khedira. Der defensive Mittelfeldspieler hat sich während der zwei Jahre bei Real Madrid zum Weltklassemann entwickelt.

Hamburger Abendblatt:

Sie sind für die Musik im Mannschaftsbus zuständig. Welches Lied ist bei dieser EM der Hit?

Sami Khedira:

Diesmal hat "Tage wie diese" von den Toten Hosen das Potenzial zum Mannschaftshit.

"An Tagen wie diesen, wünscht man sich Unendlichkeit", lautet der Refrain. Passt das zur EM?

Khedira:

Unendlichkeit? Unsterblich wollen wir uns hier machen. Dafür müssen wir allerdings den Titel gewinnen.

Können Sie die Kritik nachvollziehen, das Spiel der Deutschen sei noch nicht zwingend genug?

Khedira:

Wir haben neun Punkte in der sogenannten Todesgruppe geholt, wir meckern also auf höchstem Niveau. Andere Nationen würden sich freuen, wenn sie so viele Torchancen herausspielen würden wie wir. Richtig ist gleichzeitig, dass wir unser Potenzial noch nicht komplett ausgeschöpft haben. Wir waren meiner Meinung nach in allen drei Spielen dominant, müssen aber mehr Killerinstinkt entwickeln. Wir müssen nicht mehr laufen, aber intelligenter.

Diese Weisheit könnte von José Mourinho, Ihrem Klubtrainer, stammen.

Khedira:

Das stimmt auch. Er hat mir gesagt: "Nimm dich ein bisschen zurück, spiele cleverer, mehr mit dem Kopf!" Ich glaube, das hat mein Spiel noch viel besser gemacht. Früher dachte ich, ich muss noch mehr ackern, um dem Team zu helfen. Dank Mourinho weiß ich, dass das mehr geschadet als geholfen hat. Er hat aus mir einen Strategen gemacht.

Was ist seine besondere Gabe?

Khedira:

Er ist ein Mensch, der absolute Ehrlichkeit ausstrahlt. Ich kenne ihn seit zwei Jahren und kann sagen, dass er in dieser Zeit noch nie einen seiner Spieler unfair behandelt hat oder jemandem etwas versprochen und es dann nicht eingehalten hat. Das ist eine ganz besondere Gabe. Nur so kann er 20 Weltklassespieler unter einen Hut bringen.

Ist Ehrlichkeit selten im Fußball?

Khedira:

Leider ja. Durch den Druck verkaufen viele ihre Seele und tun Dinge, die sie selbst besser dastehen lassen. Dabei muss innerhalb der Mannschaft absolute Ehrlichkeit herrschen. Auch, wenn es mitunter wehtut.

Was halten Sie von den Spaniern?

Khedira:

Bisher waren sie nicht so überzeugend wie erwartet. Den Spaniern fehlen in Carles Puyol und David Villa zwei sehr wichtige Spieler. Sie haben aber trotzdem so viel Klasse, dass die durchwachsene Vorrunde keine großen Aufschlüsse über ihren wirklichen Leistungsstand zulässt. 2010 haben sie das erste Spiel gegen die Schweiz verloren und sich mit zwei 1:0-Siegen ins Halbfinale durchgemogelt, wo sie gegen uns zum ersten Mal in dem Turnier ihre Topleistung abgerufen haben. Ich warne davor, sich darauf zu verlassen, dass sie jetzt schwächeln.

Es heißt, Deutschland habe mit Griechenland im Viertelfinale ein Freilos gezogen. Stimmen Sie zu?

Khedira:

In diesem Denken steckt doch die große Gefahr. Die Griechen haben die Russen besiegt, die als Geheimfavorit gehandelt wurden. Es ist sehr schwer, gegen ein Team zu spielen, das sich fast ausschließlich auf die Defensive beschränkt. Das erfordert sehr viel Geduld. Gegen die Griechen geht es natürlich auch um Qualität, vor allem aber um Cleverness. Die bessere Qualität haben wir. Dass wir cleverer sind, müssen wir beweisen.