Charkow/Krakau. Tag eins nach dem ersten Vorrunden-Aus einer niederländischen Nationalmannschaft seit 32 Jahren geriet zur Abrechnung. Die Oranje-Stars offenbarten, dass man längst kein Team mehr ist, sondern eine Ansammlung von Egozentrikern. "Es ist schwer, füreinander zu kämpfen, wenn das Vertrauen weg ist", gestand Spielmacher Wesley Sneijder. "Wir haben es nicht geschafft, unsere Egos beiseitezuschieben."

Tacheles redete auch der frühere HSV-Profi Khalid Boulahrouz, der bei den Pleiten gegen Dänemark (0:1), Deutschland (1:2) und Portugal (1:2) nicht zum Einsatz kam. "Es ist einiges passiert, was besprochen werden muss", sagte der Verteidiger. "Wenn du dich als einzelner Spieler nicht in die Mannschaft fügen kannst, dann musst du zu Hause bleiben." "Wir haben alle versagt", klagte Arjen Robben, "die Spieler, das Trainerteam, alle." Seine deutliche Meinung vertrat er wohl schon während des "Abschiedsspiels": Robben legte sich dem Vernehmen nach mit Bondscoach Bert van Marwijk an ("Halt deinen Mund"), als dieser mehr Abwehrarbeit eingefordert hatte. Vor dem Spiel hatte van Marwijk noch die totale Offensive angekündigt.

Erstmals haben die Holländer bei einer EM oder WM keinen Punkt geholt. Nur bei der WM in Italien 1990 waren sie ebenfalls sieglos und flogen nach drei Vorrunden-Remis im Achtelfinale gegen die DFB-Elf aus dem Turnier. "Drei Niederlagen sind Oranje-unwürdig", sagte Verbandsdirektor Bert van Oostveen, der bereits nach dem EM-Aus kurz mit van Marwijk sprach. Spätestens bis zum Testspiel Mitte August gegen Belgien soll eine Entscheidung in Sachen Trainer fallen. "Wir setzen uns so schnell wie möglich zusammen. Mitte Juli haben wir Klarheit."