Das Spiel gegen die defensivstarken Griechen stellt die deutsche Mannschaft im Viertelfinale vor neue taktische Herausforderungen. Umstellungen sind denkbar

Wenn es im Abendblatt nicht streng unter Strafe gestellt wäre, Floskeln zu benutzen, würde ich jetzt sagen: Das nächste Spiel, das Viertelfinale gegen Griechenland, wird das schwerste für die deutsche Mannschaft bei dieser EM. Es ist nun mal nicht die erste Stärke unserer Elf, tief in der eigenen Hälfte stehende Abwehrreihen auszukombinieren. Das können zum Beispiel die Spanier mit ihrem Kurzpassspiel viel besser. Und ich kann Ihnen versprechen: Die Griechen werden am Freitag in Danzig tief hinten drin stehen, vielleicht werden sie dabei sogar einen neuen Tiefpunkt erreichen.

Im Ernst: Wenn sie etwas von unserem Otto Rehhagel gelernt haben, dann ist es das Verteidigen. Das können sie bis heute hervorragend. Da stimmen Ordnung und Aggressivität. Ein Blick in die Statistik beweist es. Von ihren zehn Qualifikationsspielen für diese EM verloren sie keins und kassierten nur fünf Gegentreffer. Das macht sie zu einem höchst unangenehmen Gegner. Ihre Konter sind zudem sehr effektiv. Ein Tor erzielen sie fast immer.

Was ist also zu tun? Gegen die sparsam stürmenden Griechen brauchst du eigentlich keine Doppelsechs mit Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger und auch keinen Abschlussstürmer, wie Mario Gomez einer von Weltklasse ist. Gefragt sind eher dribbelstarke, passsichere Angreifer und Mittelfeldspieler, möglichst antrittsschnelle Typen wie Mesut Özil, die sich auf engem Raum durchsetzen können, wendig sind und überraschende Einfälle haben. Wir haben einige von ihnen im Kader, bislang vor allem in Reserve: Miroslav Klose, André Schürrle oder Mario Götze.

Das Spiel gegen die Griechen wird am Boden entschieden, nicht in der Luft. Die griechische Innenverteidigung mit Werder Bremens Sokratis und Schalkes Kyriakos Papadopoulos gehört zu den kopfballstärksten in diesem Turnier. Mit hohen Flanken wird man gegen sie kaum zum Erfolg kommen. Die Russen haben das bei ihrer 0:1-Niederlage gegen Griechenland erfahren müssen. Ihr grundsätzlicher Fehler war indes ein anderer: Sie haben in der gegnerischen Hälfte zu wenig Tempo aufgenommen und konnten sich deshalb kaum Torchancen erarbeiten.

Eine überaus erfolgreiche Mannschaft, und das ist die deutsche, zu verändern fällt jedem Trainer schwer. Das Team und sein Spielsystem haben sich in der Vorrunde gegen drei Gegner aus den Top Ten der Weltrangliste bewährt. Drei Siege gegen diese Konkurrenz sind ein Beweis der Stärke. Auch beim 2:1 gegen die Dänen hat die Mannschaft das Spiel kontrolliert, wenige vielversprechende Aktionen des Gegners zugelassen und dennoch zahlreiche gute eigene Tormöglichkeiten kreiert. Das ist Extraklasse. Und wahrscheinlich wird sich unsere Mannschaft mit ihrem bisherigen Konzept auch gegen die hoch motivierten Griechen durchsetzen, selbst wenn es ein Geduldsspiel werden sollte.

Ganz ohne Risiko sind Veränderungen schließlich nie. Der Spielrhythmus könnte verloren gehen, und es ist sicher nicht von Nachteil, Automatismen und Abstimmungen weiter zu verfeinern. Denn eins ist klar: Erreichen wir die Vorschlussrunde, empfiehlt es sich, im Grundsatz auf die erfolgreiche Formation der drei Gruppenspiele zurückzugreifen. Es mag paradox klingen, aber vom Halbfinale an würde vieles wieder leichter werden, zumindest was die Taktik betrifft - weil die Gegner dann auch mal selbst die Initiative ergreifen.

Etwas Sorge bereitet mir nur, dass die drei laufintensiven Spiele in der schwersten Vorrundengruppe bei hohen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit der Mannschaft doch zu viel Substanz gekostet haben könnten. Dazu kamen die Reisestrapazen, der ständige Klimawechsel zwischen dem Ostseequartier in Danzig und den kontinentalen Spielorten in der Ukraine. Wer am Sonntagabend in die Gesichter der deutschen Nationalspieler sah, erkannte ihre Strapazen. Insofern würde es sich schon anbieten, den einen oder anderen nicht nur aus Gesichtspunkten des Systems zu schonen. Andererseits dürfte das nächste Spiel das leichteste werden. Wenigstens vom Klima her.