Otto Rehhagel hat bei seiner Vorstellung in Berlin einen Hype entfacht, wie ihn Hertha BSC wohl noch nie gesehen hat. Im Schatten von „König Otto“ darf der schwer angeschlagene Manager Michael Preetz erst mal durchatmen.

Berlin. Als das Scheinwerferlicht auf den großen Otto Rehhagel gerichtet war, gewann im Schatten der Trainerlegende ein Mann sichtlich an Lebensqualität zurück. Wer es während der von einem riesigen Hype begleiteten Vorstellung schaffte, den Blick von „König Otto“ loszureißen und auf den Manager von Hertha BSC zu richten, der sah Michael Preetz das erste Mal seit vielen Wochen öffentlich lächeln. Nicht gänzlich sorglos, aber dennoch befreit.

Mit dem Rehhagel-Coup hat sich der schwer angeschlagene Sport-Geschäftsführer des abstiegsbedrohten Klub vorerst aus der Schusslinie gebracht. Die volle Aufmerksamkeit der Medien und des Umfelds gehört ab sofort dem Trainer-Methusalem. Aus dem Schneider ist Preetz allerdings damit noch lange nicht: Mit dem Projekt Rehhagel ist er bewusst volles Risiko gegangen. Scheitert der 73 Jahre alte Coach, dürfte auch die Zeit von Preetz bei Hertha abgelaufen sein.

„Ich musste mir Gedanken machen, was das Richtige in unserer Situation ist. Und ich glaube, dass wir einen erfahrenen Mann brauchen“, sagte Preetz. Der 44-Jährige hofft, dass der Meistermacher mit Werder Bremen und dem 1. FC Kaiserslautern den Druck von der Mannschaft nimmt, vielleicht auch von ihm selbst.

Nach dem fatalen Fehler Michael Skibbe, den der frühere Mittelstürmer offen und ehrlich eingeräumt hat, war die Luft für ihn dünn geworden. Auch die Lügenaffäre mit Ex-Coach Markus Babbel kostete Preetz an Ansehen. Schon in der Abstiegssaison stand der gebürtige Düsseldorfer auf der Kippe, weil er zu lange am erfolglosen Trainer Friedhelm Funkel festgehalten hatte.

Preetz wird zum Teil auch die Trennung von Lucien Favre vorgeworfen, der derzeit mit Borussia Mönchengladbach auf Champions-League-Kurs ist. Favre selbst sagte einmal, „dass es von Hertha BSC ein Fehler war, mich zu entlassen“.

Auch wenn das Hertha-Präsidium dem Manager stets Rückendeckung gab: In seiner zweieinhalbjährigen Amtszeit hat Preetz nicht viele glückliche Entscheidungen getroffen. Nach der Skibbe-Pleite wusste Preetz, dass er nur noch eine Patrone übrig hat. Aber sollte der „Schuss“ Rehhagel sitzen, hätte der Manager enorm an Reputation gewonnen.

Bis dahin wird er im Hintergrund nach einem Nachfolger für den Sommer suchen. Und darauf vertrauen, dass Rehhagel weiß, was er tut. Doch daran hat selbst Altmeister Udo Lattek seine Zweifel. „Es wird Probleme geben. Ähnlich wie bei mir wird es auch bei Otto Vorbehalte gegen ihn geben. Die jungen Burschen in der Mannschaft haben doch ganz andere Gedankengänge“, sagte die Trainerlegende der Sport Bild.

Der 77-Jährige war selbst vor zwölf Jahren kurzzeitig ins Trainergeschäft zurückgekehrt und hatte Borussia Dortmund vor dem drohenden Abstieg gerettet. Wahrscheinlich erinnerte sich Preetz bei seiner spektakulären Entscheidung auch daran zurück.

Für ihn hat es zudem den Vorteil, dass er nun die Bühne dem selbsternannten „demokratischen Diktator“ überlassen kann. Preetz ist von seinem Naturell her keiner, der das Scheinwerferlicht sucht. Ganz anders als sein Vorgänger Dieter Hoeneß. Vor allem nach Niederlagen scheint es ihn immer eine große Überwindung zu kosten, Stellung zu beziehen.

Preetz leidet wie ein Hund, wenn es der Hertha schlecht geht. Sein Herz hängt an dem Klub, für den er in 227 Spielen 93 Tore erzielt hat, so viele wie kein anderer. Auch wegen seiner Verdienste als Spieler lassen die Fans den angeschlagenen Manager noch in Ruhe. Doch bei einem Scheitern des „Projekts Rehhagel“ dürfte auch die Geduld der Fans ein Ende haben.

Otto Rehhagel leitet am Dienstag um 10.00 Uhr sein erstes Training in Berlin. Am Nachmittag ruft er die Spieler des Tabellen-15. erneut auf den Platz. Rehhagel wird beim Training von seinen beiden Assistenten René Tretschok und Ante Covic unterstützt. Er sei der „Spiritus rector“ hatte Rehhagel bei seiner Präsentation am Sonntag gesagt.

Unterdessen hat Torwartlegende Oliver Kahn die Personalpolitik von Hertha BSC kritisiert. In seiner Kolumne bei „eurosport.yahoo.de“ schrieb Kahn: „Nach vier Trainern in zweieinhalb Jahren lässt sich aktuell in Berlin keine kontinuierliche sportliche Linie erkennen. Hertha agiert nach dem „Trial and Error“-Prinzip – Versuch und Irrtum.“ Rehhagel ist der dritte Cheftrainer bei Hertha in dieser Saison nach Markus Babbel und Michael Skibbe.

„Die Idee, einen Übergangstrainer bis zum Sommer zu verpflichten, ist offenkundig dem Willen von Manager Preetz geschuldet, kurzfristig den Klassenerhalt zu sichern“, meinte Kahn am Montag. „Diese Idee bedeutet aber gleichzeitig, dass Preetz zur neuen Saison eine weitere, diesmal zukunftsfähige Trainerlösung benötigt.“

Kahn kritisierte einen vermeintlichen Trend in der Bundesliga, sich bei Misserfolg viel schneller als noch vor gut einem Jahrzehnt für überstürzte Trainerwechsel zu entscheiden. „Hohe Kosten und eine hohe Fluktuation beim Personal sind die Folge.“

Rehhagels langjähriger Weggefährte Willi Lemke warnte die Verantwortlichen der Hertha: „Otto Rehhagel darf nicht reingequatscht werden. Aber wenn man ihm folgt, dann kann man gewinnen“, sagte der frühere Manager von Werder Bremen bei "Sky Sport News". Dennoch ist Lemke freudig überrascht von der Rückkehr Rehhagels. „Auch ich konnte mir dieses Comeback nicht vorstellen. Und viele werden staunen, dass der ,alte Sack' immer noch so viel Power und Leidenschaft hat. Otto Rehhagel kann und wird ein neues Feuer entfachen, wenn er die jungen Leute erreicht und sich mit den heutigen Gegebenheiten des Geschäfts arrangieren kann. Ich wünsche ihm auf jeden Fall viel Glück für diese Aufgabe“, sagte Lemke.

Mit Material von sid und dpa