Nach dem enttäuschenden 0:0 des Rekordmeisters in Freiburg kritisiert Sportchef Nerlinger die Einstellung seiner Stars

München. Die kleinsten Fans hatten die größte Nachsicht. Franck Ribéry schlurfte nach dem 0:0 im Bundesligaspiel beim SC Freiburg mit hängenden Schultern zum Mannschaftsbus, und eine Horde Kinder rief so laut und grell nach dem Star des FC Bayern München wie sonst nur bei Teenie-Sänger Justin Bieber. Doch der französische Nationalspieler war nicht in der Stimmung für Autogramme, er verschwand im Bus. Fragen zu der schwachen Leistung wollte kaum ein Spieler beantworten. Vier Punkte Rückstand haben die Münchner jetzt schon auf Spitzenreiter Borussia Dortmund, sie sind hinter Borussia Mönchengladbach nur noch Tabellendritter. Die Mission Meisterschaft droht erneut zu scheitern.

Nur Kapitän Philipp Lahm, Trainer Jupp Heynckes und Sportchef Christian Nerlinger äußerten sich. Sie wählten so drastische Worte wie selten. "Gerade in der ersten Hälfte habe ich nichts gesehen, was dem FC Bayern entspricht. Spätestens jetzt schrillen die Alarmglocken sehr laut. Einige Dinge müssen sich schnell ändern, sonst wird es eine enttäuschende Saison für den FC Bayern", sagte Nerlinger. Frust und Ärger waren ihm anzusehen.

Kurswechsel beim Rekordmeister. Bislang hatten die Verantwortlichen die Mannschaft meist geschützt. Und nach enttäuschenden Spielen kamen drei Lieblingssätze. Der erste: Wir müssen Ruhe bewahren. Der zweite: Wir vertrauen der Mannschaft. Der dritte: Abgerechnet wird am Saisonende im Mai. Vorbei.

Krisenstimmung ist ausgebrochen, ausgerechnet vor dem Achtelfinalhinspiel in der Champions League beimFC Basel am Mittwoch. "Das war ein großer Rückschlag. Es gibt viel Gesprächsbedarf. Wie wir in den ersten 45 Minuten aufgetreten sind, das macht Sorge", betonte Lahm.

Den Bayern fehlten in Freiburg die Ideen. Sie erspielten sich nur wenige Chancen, die Thomas Müller und Arjen Robben vergaben. Wohlgemerkt gegen den Tabellenletzten, den sie im Hinspiel 7:0 deklassiert hatten. Wie kann das sein? "Keine Ahnung", so Lahm.

Der SC war sehr diszipliniert und viel besser als in vielen Partien zuvor, und doch hat der FC Bayern einen Pflichtsieg ausgelassen. Weil die Laufbereitschaft fehlte, weil die Profis nicht aggressiv genug waren, weil die Außen Müller und Ribéry enttäuschten und Spielgestalter Toni Kroos nichts gelang. "Die Mannschaft glaubt, mit ihren fußballerischen Mitteln zum Erfolg zu kommen. Das klappt aber nicht gegen Mannschaften, die im Abstiegskampf stehen", sagte Heynckes. In seiner Ansprache in der Halbzeitpause wurde er sehr laut, im Interview mit der "Welt am Sonntag" forderte er: "Wir müssen wieder dominanter werden."

Dafür haben sie zu viele Probleme. Bastian Schweinsteiger fehlt wegen eines Außenbandrisses noch einige Wochen, und Robbens Selbstvertrauen hat gelitten. Gegen Freiburg verzichtete Heynckes zum dritten Mal in Folge auf den Offensivstar, wechselte ihn erst zur zweiten Hälfte ein. Als Holger Badstuber eine Flanke misslang, klatschte Robben - es wirkte wie Hohn. Badstuber schüttelte den Kopf. Was spricht im Kampf um den Titel überhaupt noch für den FC Bayern? "Wenig, wenn du vier Punkte Rückstand hast", gibt Lahm zu.

Es ist nicht allein das Spiel in Freiburg, das an der Isar die Angst vor einer erneut titellosen Saison weckt. Es ist die Entwicklung der Mannschaft. In der ersten Halbserie spielte sie phasenweise hervorragenden Fußball, hatte nach dem zwölften Spieltag fünf Punkte Vorsprung auf Dortmund. "Hergeschenkt", habe den sein Team, so Lahm. Von15 möglichen Punkten holte München im neuen Jahr nur acht. "Die Rückrunde ist bislang sehr negativ verlaufen. Wenn wir uns nicht anders präsentieren, wird es ein Zweikampf zwischen Dortmund und Mönchengladbach", so Nerlinger. Und dann prognostizierte er düster: "Natürlich ist Dortmund Favorit auf die Meisterschaft. Sie haben einen Vorsprung, sind stabil und haben keine Doppelbelastung."

Von seiner gewohnten Rolle ist der Klub weit entfernt. "Mia san mia" ist nur auf den Trikots zu lesen. Auf dem Spielfeld ist das Selbstverständnis des Klubs abhandengekommen. Offenbar sind die Bayern viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. "Es hatte den Anschein, als ob einige nicht kapiert hätten, worum es geht. Es ist mir ein Rätsel", sagte Nerlinger.

Einige in Freiburg entstandene Rätsel sind leicht zu lösen: Zu passiv im Spielaufbau mit elf Buchstaben? Luiz Gustavo. Stürmer ohne Zuspiele mit M? Mario Gomez. Verteidiger mit schwachem Stellungsspiel, letzter Buchstabe A? Rafinha.

Präsident Uli Hoeneß eilte nach dem Abpfiff sofort in die Kabine. Offenbar hatte er der Mannschaft etwas zu sagen. Der Spielplan macht nicht gerade Hoffnung, die Partien gegen Topteams kommen erst noch: Schalke 04 (Sonntag), Dortmund (10./11. April), das Pokalhalbfinale gegen Mönchengladbach (21. März). Lahm findet es gut, dass Mittwoch gleich das nächste Spiel ansteht. Basel ist die Chance zur Rehabilitation. Schnell zu vergessen ist das 0:0 in Freiburg allerdings nicht. "Mit dem größten Selbstbewusstsein fahren wir da jetzt natürlich nicht hin", sagte der Kapitän. Da können die Kinder noch so laut jubeln.