Eine Glosse von Christian-A. Thiel

Frauen und Kinder zuerst! Diese höchst ethische Regel aus der Seefahrt soll im Falle eines Schiffsuntergangs das wertvollste Leben retten. Nun ist der Fußballverein Ajax Amsterdam gerade dabei, sein sportliches Schiff selbst zu versenken. Mitten in einer Phase, in der sich die Führung des 111 Jahre alten Fußballdampfers im Tulpenkrieg um Johan Cruyff, Louis van Gaal und Edgar Davids gegenseitig demontiert, wird die Mannschaft zum Geisterschiff und muss ein Pokalspiel vor leeren Rängen nachholen.

Ein 19-jähriger Nichtsnutz, der sich selbst für einen "Fan" hält, hatte im Pokalduell mit dem AZ Alkmaar den gegnerischen Torwart Esteban Alvarado Brown attackiert und dafür ein paar Tritte, eine Gefängnisstrafe und ein Stadionverbot erhalten - und der Klub letztlich einen Spielabbruch.

Nun hat Ajax Amsterdam beim holländischen Fußballverband KNVB um Gnade gebettelt - wie das Opfer eines Piratenangriffs, bevor es über Bord geht. Wenigstens Frauen und Kinder, so der Verein, sollten doch beim Spiel am 19. Januar den Kickern im leeren Rund so etwas wie heimelige Wohlfühlatmosphäre vermitteln.

Frauen und Kinder zuletzt! Ob es daran liegt, dass Ajax früher im Stadion "De Meer" auf einem Polder gespielt hat? Über weibliche Hooligans und gewalttätige Sprösslinge wurde jedenfalls selten berichtet. Es sei denn, clevere Ajax-Fans kehren mit Schminke und anderen Hilfsmitteln ihre weibliche Seite heraus. Und kleinwüchsige Ultras könnten mit Karnevalsklamotten und Lutschern ihr kindliches Wesen zur Geltung bringen.

Der Verband hat sich zum Mutter-und-Kinder-Tag noch nicht geäußert.