Gastgeber Südafrika klammert sich gegen Frankreich an seine Achtelfinalchance - und sieht sich schon als WM-Sieger

Hamburg. Desmond Tutu fand, dass es an der Zeit sei, die Nation ein wenig aufzurichten. Keinesfalls sei diese Weltmeisterschaft das Ende, rief der Friedensnobelpreisträger seinen Landsleuten gestern zu: "Es ist vielmehr der Anfang von etwas Neuem." Und die Südafrikaner könnten sich als die Sieger dieses Turniers betrachten: "In vielerlei Hinsicht haben wir den Cup schon gewonnen."

Man muss schon über die spirituelle Kraft eines Erzbischofs verfügen, um die Dinge so positiv zu sehen. Wenn heute in Bloemfontein nichts Außergewöhnliches passiert, ist das Turnier für den Gastgeber um 17.45 Uhr gelaufen. Nur ein deutlicher Sieg im letzten Gruppenspiel gegen Frankreich (16 Uhr/ZDF) würde den Südafrikanern noch den Weg ins Achtelfinale offenhalten. Sollten es im anderen Spiel zwischen Uruguay und Mexiko keinen Sieger geben, würde auch ein noch so hoher Erfolg nicht zum Weiterkommen reichen.

Es wäre das erste Mal, dass ein WM-Gastgeber bereits in der Vorrunde scheitert. "Das wäre traurig und eine Enttäuschung, aber kein Debakel", sagt Trainer Carlos Alberto Parreira und verweist auf die starken Gruppengegner. Fünf Tage hatte die Nation seit der 0:3-Niederlage gegen Uruguay Zeit, um sich auf das Undenkbare vorzubereiten: bei der größten Party in der Geschichte des Landes nur noch Zuschauer zu sein.

Schon wächst bei den Organisatoren die Sorge, die Südafrikaner könnten in diesem Fall die Lust an ihrem Turnier verlieren. Jackson Mthembu, Sprecher der Regierungspartei ANC, versuchte gestern entsprechende Bedenken zu zerstreuen. Man habe sich der Welt bisher als wundervoller Gastgeber gezeigt und werde das auch für die Dauer der WM und darüber hinaus bleiben, hieß es in einer Pressemitteilung: "Lasst uns nicht aus dem Blick verlieren, dass wir uns bereits als Gewinner erwiesen haben, indem wir das bedeutendste Fußballturnier der Welt erfolgreich ausgerichtet haben."

Immer mehr zeigt sich, dass die WM-Organisatoren zwar auf vieles vorbereitet waren - aber nicht auf das frühestmögliche Ausscheiden von "Bafana Bafana". Jetzt klammert sich die Regenbogennation an die letzte, vage Hoffnung. Der heutige Tag wurde zum landesweiten Fußball-Dienstag" erklärt. Politiker, Medien und Geschäftsleute forderten alle Bewohner des Landes auf, sich das gelbe Trikot überzustreifen und die Fahne zu schwenken. Das Land müsse das Trennende beiseiteschieben und sich noch einmal hinter den Vuvuzelas vereinen, forderte Sophie Masipa von der staatlichen Vermarktungsagentur Brand South Africa.

Es dürfte wohl der letzte Fanfarenstoß werden, auch wenn sich die Mannschaft Mut zuspricht. Gegen das zerrüttete Frankreich seien mehr als zwei Tore durchaus möglich, glaubt Mittelfeldspieler Teko Modise. Er selbst wird dazu vermutlich keinen Beitrag leisten können. Auf fünf Positionen will Parreira seine Mannschaft umbesetzen, und es wird erwartet, dass der Brasilianer dem öffentlichen Drängen nachgibt und statt Modise Bernhard Parker als zweiten Stürmer ins Spiel bringt. Zwei weitere Umstellungen ergeben sich zwangsläufig: Torhüter Itumeleng Khune steht nach seinem Platzverweis aus dem Uruguay-Spiel nicht zur Verfügung, Mittelfeldspieler Kagisho Dikgacoi ist nach zwei Gelben Karten ebenfalls gesperrt. "Wir wollen auf der großen Bühne noch einmal eine große Leistung zeigen", sagt Parreira, "alles andere liegt nicht in unserer Hand."

Das ganze Land wird noch einmal im Fieber liegen. "Eine Nation, ein Team", beschwor die in Pretoria erscheinende "City Press". Nie seit dem Ende der Apartheid seien Schwarze und Weiße einander so nahe gewesen wie hinter "Bafana Bafana". Schon einmal, als Südafrika 1995 im eigenen Land sensationell Rugbyweltmeister wurde, hat der Sport die Rassenschranken im Land überwunden. Hollywood hat der Episode ein filmisches Denkmal gesetzt.

Auch von dieser WM werde das Verbindende bleiben, glaubt Erzbischof Tutu. Man erlebe seit Wochen ein "unglaubliches Nationalgefühl". Die Welt nehme das Land "als den schönen Schmetterling wahr, der wir geworden sind". Und das ließe sich mit keinem Pokal aufwiegen.

Südafrika: Josephs - Ngcongca, Khumalo, Mokoena, Thwala - Khuboni, Sibaya - Pienaar, Tshabalala - Parker, Mphela.

Frankreich: Lloris - Sagna, Squillaci, Abidal, Evra - Gourcuff, Diarra, Malouda - Gignac, Henry, Ribéry.

Schiedsrichter: Ruiz (Kolumbien).