Nach dem blamablen 1:1 gegen Neuseeland droht Weltmeister Italien wie 1966 das Vorrundenaus

Nelspruit. Italien zittert vor den bösen Geistern von 1966: 44 Jahre nach der größten Schande in der WM-Geschichte des viermaligen Weltmeisters hat eine Bande von Nobodys die Squadra Azzurra erneut bis auf die Knochen blamiert. Nach dem peinlichen 1:1 gegen den krassen Außenseiter Neuseeland ist ein ganzes Land in eine Schockstarre gefallen: Der Titelverteidiger steht vor seinem ersten Vorrunden-Aus seit 1974.

"Es war ein Spiel, das wir hätten gewinnen müssen. Wir hatten kein Glück, aber wir haben auch nichts Großartiges geleistet. Das lag nicht an fehlendem Willen, aber die geistige Frische hat uns schon gefehlt", sagte ein sichtlich angeschlagener Marcello Lippi. In einem "Endspiel" am Donnerstag gegen die Slowakei müssen Trainer und Mannschaft nun verhindern, was ihren Vorgängern 1966 mit dem 0:1 gegen Nordkorea widerfahren ist: das vorzeitige Scheitern und ein Tomaten-Hagel bei der Heimkehr. Lippi wollte daran aber noch keinen Gedanken verschwenden und erinnerte sich lieber an 1982. "Da sind wir mit drei Unentschieden gestartet", sagte er. Am Ende war Italien zum dritten Mal Weltmeister.

Von Titel-Glanz war gegen die All Whites dagegen gar nichts zu sehen. Der in Göppingen geborene Shane Smeltz hatte Neuseeland in Führung gebracht (7.). Vincenzo Iaquinta von Juventus Turin gelang nur mehr der Ausgleich (29., Foulelfmeter). Lippi riskierte viel, ließ immer offensiver spielen. Doch was die Italiener auch versuchten: Sie scheiterten an sich selbst oder an Mark Paston im neuseeländischen Tor. In der 83. Minute hatte Chris Wood mit einem Schuss aus zwölf Metern sogar das Siegtor für Neuseeland auf dem Fuß, aber der Ball verfehlte knapp das Ziel.

"Ich bin einfach nur sehr, sehr stolz", sagte Neuseelands Trainer Ricki Herbert nach dem zweiten WM-Punkt der "Kiwis". Nach dem 1:1 zum Auftakt gegen die Slowaken hat Neuseeland im letzten Spiel gegen Paraguay ebenfalls noch die Chance aufs Achtelfinale: "Da werden wir wieder sehr schwer zu schlagen sein." Kapitän Ryan Nelsen meinte: "Es ist unglaublich. Ich bin absolut sprachlos. Wir erholen uns jetzt und dann machen wir das noch mal."

Vor 38 229 Zuschauern im Mbombela-Stadion in Nelspruit standen die Vorzeichen für die Squadra Azzurra denkbar ungünstig: Kein Sieg im Jahr 2010, nur 1:1 gegen Paraguay, dazu noch Regisseur Andrea Pirlo und Torhüter Gianluigi Buffon verletzt, und dann der Schock zum Start: Nach einem Freistoß verlängerte Winston Reid den Ball Richtung Fünfmeterraum, dort fiel er Italiens Kapitän Fabio Cannavaro auf den Oberschenkel und Smeltz vor die Füße. Erst nach einer halben Stunde brach das Bollwerk der Neuseeländer. Nach einem Trikotzupfer von Tommy Smith stürzte Daniele De Rossi mit Verspätung theatralisch im Strafraum zu Boden - doch Schiedsrichter Carlos Batres entschied ohne Zögern auf Elfmeter, Iaquinta verwandelte sicher.

Italien drängte in der zweiten Spielhälfte immer vehementer auf das zweite Tor, vergab aber reihenweise gute Möglichkeiten - bis die zweite Sensation der WM nach dem 1:0-Sieg der Schweizer gegen Spanien perfekt war.

Italien: Marchetti - Zambrotta, Cannavaro, Chiellini, Criscito - Pepe (46. Camoranesi), De Rossi, Montolivo, Marchisio (61. Pazzini) - Iaquinta, Gilardino (46. Di Natale).

Neuseeland: Paston - Reid, Nelsen, Vicelich (80. Christie), Smith - Bertos, Elliott, Lochhead - Fallon (63. Wood), Killen (90.+3 Barron) - Smeltz.

Tore: 0:1 Smeltz (7.), 1:1 Iaquinta (29./Foulelfmeter). Schiedsrichter: Batres (Guatemala). Zuschauer: 38 229. Gelbe Karten: Fallon, Nelsen, Smith.