Ghana, Gegner der deutschen Mannschaft, erreichte gegen zehn Australier nur mit Glück ein Remis

Rustenburg. Ein wenig ratlos verweilte Lucas Neill hinterher vor den Mikrofonen, so recht konnte der Kapitän der Australier sich keinen Reim auf Spiel und Resultat machen. Das lapidare 1:1 passte überhaupt nicht ins "Triumph oder Aus"-Schema, das sich der 32-Jährige vor der Partie gegen Ghana zurecht gelegt hatte. Als "das wichtigste Spiel in der Geschichte der 'Socceroos'" hatte Neill das Match angekündigt, doch es entschied rein gar nichts: Australien kann mit einem möglichst hohen Sieg am Mittwoch (20.30 Uhr) zum Gruppenfinale gegen Serbien noch immer ins Achtelfinale einziehen, muss dabei aber hoffen, dass es zwischen Ghana und Deutschland im Soccer-City-Stadion kein Unentschieden gibt.

"Ich habe heute genug von Ghana gesehen, um zu glauben, dass sie Deutschland besiegen können", sagte Neill. "Ich habe aber auch genug gesehen, um zu glauben, dass Deutschland ihnen richtig den Hintern versohlen kann". Joachim Löws Analyse des nächsten Gegners dürfte einem ähnlich dialektischen Ansatz folgen. Die Elf von Milovan Rajevac spielte im Vergleich zum Auftaktsieg gegen Serbien (1:0) ja viel besser, aber auch deutlich schlechter: einer äußerst souveränen, spielerisch starken ersten Hälfte, in der man zwar nach einem Patzer von Torhüter Richard Kingson schnell 0:1 zurücklag, dann aber völlig verdient zum Ausgleich kam, war das reinste Chaos nach der Pause gefolgt. Die "Black Stars" hatten im Gefühl der Überlegenheit gegen zehn Australier - Harry Kewell war nach einem Handspiel auf der Linie des Platzes verwiesen worden, den fälligen Handelfmeter hatte Asamoah Gyan zum 1:1 genutzt - komplett die Nerven verloren und letztlich den einen Punkt mit etwas Glück über die Zeit gerettet.

"Wir haben in der zweiten Hälfte gar nichts mehr auf die Reihe bekommen", klagte Hans Sarpei. "Wir sind blind nach vorne gelaufen, jeder hat geschossen, wir wollten unbedingt das Tor machen und haben dabei versäumt, uns klare Torchancen herauszuspielen." Der Kontrollverlust habe gezeigt, dass man "eine noch sehr junge, unerfahrene Mannschaft" habe, sagte der Leverkusener Bundesligaprofi.

Für die neu formierte Innenverteidigung galt das ganz besonders. Lee Addy (Bechem Chelsea, Ghana) und Jonathan Mensah (Granada FC, dritte spanische Liga) mussten für die verletzten John Mensah (Sunderland) und Isaac Vorsah (Hoffenheim) einspringen und wackelten gegen die im Sturm bestenfalls zweitklassigen Australier ganz gehörig. "Man hat gesehen, dass wir zwei unerfahrene Verteidiger hatten", sagte Sarpei, "wir hoffen aber, dass die Stammspieler wieder zurückkommen."

Unklar ist auch, ob Rechtsverteidiger John Paintsil gegen die DFB-Elf auflaufen kann - der Spieler vom Uefa-Cup-Finalisten FC Fulham aus der englischen Premier League war mit Verdacht auf Nasenbeinbruch blutüberströmt vom Platz gegangen. Er soll aber, ebenso wie John Mensah und Isaac Vorsah, einsatzbereit sein, hieß es gestern aus dem ghanaischen Lager.

Mangelnde Erfahrung könnte auch Torhüter Kingson als Entschuldigung für seinen kapitalen Fehlgriff vor Brett Holmans 1:0 für die Australier anführen. Der Torhüter ist zwar schon 32 Jahre alt, hat aber in den vergangenen drei Spielzeiten nur ganze fünf Spiele im Verein für Birmingham City beziehungsweise Wigan Athletic gemacht, keines davon in der letzten Saison.

Den besten Eindruck hinterließ im Mittelfeld der Westafrikaner einmal mehr Kevin-Prince Boateng. Der 23-Jährige vom Premier-League-Absteiger FC Portsmouth war an den meisten Offensivaktionen beteiligt, er war agil, suchte häufig den Abschluss. Einzig sein Eigensinn brachte die Mitspieler ab und an in Rage.

Über die verpasste Chance, gegen dezimierte Australier das Achtelfinale klar zu machen, wollte Sarpei sich nicht allzu lange ärgern, dafür seien die Aussichten zu gut, befand er. "Der Druck liegt klar auf Deutschland, denn wir müssen nicht gewinnen", meinte er. "Wir werden sicher nicht auf Unentschieden spielen, aber sicherlich die Möglichkeiten bekommen, kontermäßig etwas zu machen".

Ghana: Kingson - Paintsil, Addy, Jonathan Mensah, Sarpei - Annan, Kevin Boateng (87. Amoah) - Tagoe (56. Owusu-Abeyie), Asamoah (77. Muntari), Andre Ayew - Gyan.

Australien: Schwarzer - Wilkshire (85. Rukavytsya), Neill, Moore, Carney - Valeri, Culina - Emerton, Holman (68. Kennedy), Bresciano (66. Chipperfield) - Kewell.

Tore: 1:0 Holman (11.), 1:1 Gyan (25., Handelfmeter). Schiedsrichter: Rosetti (Italien). Zuschauer: 34 812. Rot: Kewell (24., Handspiel). Gelb: Addy, Jonathan Mensah, Annan - Moore.