Simone Buchholz kommentiert die Übertragung des Deutschland-Länderspiels

Hin und wieder ist Respektlosigkeit etwas ganz, ganz Tolles. Ich mag das sehr, wenn Leute ungehorsam sind und frech. Wie diese Typen aus Münster, diese Stundentenvögel. Haben die sich doch einfach das neue nationale Heiligtum Lena vorgeknöpft, aus "Satellite" ein ultrabescheuertes "Schland, o Schland" gemacht, ein paar blöde Pogoszenen auf der grünen Wiese gedreht und zusammengeschnitten. Und jetzt schnurrt dieses herrliche Doofvideo wie Schmidts Katze durch die deutschen Medien.

Zuerst gab's das nur im Netz, inzwischen hat die lustige Frechheit auch das Fernsehen erreicht. Was für ein schöner, anarchistischer Quatsch: Ein flusiger, bärtiger Bärenmann mit einer dunklen, hüftlangen Live-Rollenspiel-Perücke auf dem Kopf und zwei Apfelsinen unterm schwarzen Minikleid tut so, als wäre er eine 19-jährige Abiturientin. Der Rest der Bande hat sich einfach möglichst beknackt mit Schwarz-Rot-Gold behängt. Hauptsache, es sieht ordentlich Panne aus.

Sie haben Bierflaschen in der Hand, Ukulelen und Panflöten, und einer hat sogar dieses Schwachsinnsinstrument Melodika am Hals. So hüpfen sie im Park auf und ab, der Lena-Frontmann wackelt mit dem Hintern, wedelt mit den Händen und macht einen auf laszives junges Ding, was wirklich sehr komisch aussieht. Dazu singen sie von Deutschland, als wäre es Legoland. Mittendrin: ein verirrter Jack-Russell-Terrier, der dem Ganzen eine leicht absurde Anmutung gibt.

Das ist natürlich alles um Längen lustiger als das, was da gestern gegen Serbien passiert ist: Miroslav Klose ist vom Platz geflogen, Arne Friedrich hat vergessen, wofür er bezahlt wird, Holger Badstuber hätte vielleicht lieber Jerome Boateng heißen sollen, Michael Ballack war nicht da, Jogi Löw war kurz davor, in die Wand zu beißen, und der Schiedsrichter dachte wohl, er ist für ein Häkelkränzchen engagiert, nicht für ein Fußballspiel (in England hätte man ihn aufgehängt).

Aber, und deshalb muss ich die geschundene Fußballseele doch noch mal mit den Spaßfreunden von oben belästigen: Mit einer ordentlichen Portion Anarchie im Blut lässt sich so ein Scheißspiel viel besser verkraften.

Ich werde meinen Frust heute auf Youtube bekämpfen.

Immerhin ist uns eins erspart geblieben: Olli Kahn wollte die Nationalhymne auf der Vuvuzela tröten, falls Deutschland gewinnt.