Wer freut sich am schönsten? Bei der Kreativität des WM-Torjubels in Südafrika ist noch Luft nach oben

Tor! Die einen stoßen Urschreie hervor, andere recken einen Finger oder ganze Fäuste in die Höhe, und die meisten verschwinden binnen Sekunden unter einer Menschenmasse. Der natürliche Fluchtreflex des Torschützen hilft nichts, irgendwann hat ihn jede Meute eingeholt. Solche Emotionen kann man nicht einstudieren. Alles muss raus, wenn das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet wird.

Freude, wusste schon Mark Twain, lässt sich nur voll auskosten, "wenn sich ein anderer mitfreut".

Noch sind die Jubelszenen dieser Weltmeisterschaft steigerungsfähig. So ließ Miroslav Klose beim deutschen 2:0 seinen berühmten Salto weg und pflügte rittlings durch den südafrikanischen Rasen, eine Geste, die schon bald der Deutsch-Brasilianer Cacau und der Italiener Daniele De Rossi kopierten. Bei den Gesten ist noch Luft nach oben.

Dieser Moment nach einem Tor ist der einzige öffentliche Bereich, in dem sich Männer so nahe kommen dürfen, sich küssen, knutschen und umarmen, ohne dass Sitte und Moral des Abendlandes in Gefahr geraten. Sie führen sich wie Kinder auf, rennen mit irren Gesichtszügen und weit aufgerissenen Mündern über den Rasen, ziehen sich das Trikot über den Kopf und deuten auffallend oft gen Himmel, als habe der Fuß (seltener die Hand) Gottes soeben ein Tor erzielt. Der eine freut sich für sich selbst, der andere denkt an seinen Marktwert ("wieder drei Millionen mehr"), und so richtig staatstragend wird es, wenn ein ganzer Kontinent mitfeiert. "Ganz Afrika ist glücklich", begründete Ghanas Torschütze Asamoah Gyan seine Jubeltänze.

Nicht, wie Andy Warhol voraussagte, für 15 Minuten berühmt sind die WM-Torjäger, sondern für einen oder zwei Tage. Danach wird man sich vielleicht nicht mehr an den Namen des Spielers erinnern, wohl aber an die Art seines Jubels. Sei es der Tanz mit der Eckfahne - wer war noch Roger Milla? -, das symbolische Babyschaukeln oder der Sprung ins mitfeiernde Publikum.

Aus anderen Bereichen unseres Lebens sind solche ekstatischen Auftritte nicht bekannt. Weder von Politikern nach überraschenden Wahlergebnissen noch von Unternehmern nach Quartalsrekorden. Der Fußball hat eben ein ganz besonderes Spielfeld für Emotionen. Soweit es die Fifa erlaubt.