Brasilien mokiert sich über das schwache Spiel gegen Nordkorea. Trainer Dunga hat nur eine Chance: Er muss Weltmeister werden

Johannesburg. Die Sicherheitskräfte der Firma "Piranha Security" stehen gelangweilt in der Eingangshalle des Hotels "The Fairway", während die Techniker des brasilianischen Fernsehens im Saal nebenan genervt die Kameras von ihren Stativen schrauben, die sie kurz zuvor erst in Position gebracht hatten. Eine halbe Stunde vor dem angesetzten Termin wurde die Pressekonferenz am Tag nach dem mühsamen 2:1-Auftaktsieg über den krassen Außenseiter Nordkorea abgesagt. Darüber hatte der Fußballverband des Mitfavoriten auf den WM-Titel recht kurzfristig auf seiner Internetseite hingewiesen, ohne Angabe von Gründen.

"Das ist kein Drama", stellt Reporter Robson De Lazzari fest, der die Auswahl Brasiliens für die Tageszeitung "Gazeta do Povo" nach Südafrika begleitet hat. Seine Kollegen und er seien mittlerweile an solche Spitzen der Funktionäre gewöhnt. "Carlos Dunga hätte sich sowieso nicht die Ehre gegeben. Und vermutlich wären zwei Spieler gekommen, für die sich ohnehin niemand besonders interessiert." So nutzen die brasilianischen Medienvertreter am Mittwochmittag die freie Zeit, um über den Auftritt der Mannschaft zu diskutieren. "Es ist gekommen, wie es alle erwartet hatten", sagt De Lazzari: "Die Asiaten haben voll auf Defensive gesetzt, und unserem Team fehlte es an Tempo, an Kreativität, um dieses Bollwerk zu knacken. Wir haben ohne jede Fantasie gespielt - und das zuzugeben, ist für einen Brasilianer wie der Tod."

In der Tat hatte sich die Auswahl über weite Strecken sehr schwer getan. Erst ein Kunstschuss von Rechtsverteidiger Maicon, der den Ball aus vollem Lauf fast von der Torauslinie ins Tor drosch und dabei von einem Stellungsfehler des nordkoreanischen Schlussmannes Ri Myong-guk profitierte, bescherte in der 55. Minute die Führung. Mitte der zweiten Hälfte erhöhte Elano, ehe Ji Yun-nam kurz vor Schluss der Ehrentreffer gelang.

Während Trainer Dunga die Erleichterung nach dem Abpfiff anzusehen war und er betonte, dass seine Mannschaft nach dem Seitenwechsel "ein gutes Spiel" gemacht habe, hielt sich in der Heimat die Begeisterung über den Erfolg gegen die Nummer 105 der Rangliste des Weltverbandes Fifa in Grenzen. "Die Stimmung in Brasilien ist nicht gut, Dunga hat einen schweren Stand. Seine Art, Fußball spielen zu lassen, passt nicht zum Selbstverständnis unserer Nation", sagt Reporter De Lazzari und fügt hinzu, dass es für den früheren Stuttgarter Bundesligaprofi in Südafrika um seinen Job gehe: "Dunga hat nur eine Chance: Er muss das Turnier gewinnen. Wenn ihm das nicht gelingt, wird er ganz sicher entlassen."

Seit seinem Dienstantritt Ende Juli 2006 stehen Fans und Medien dem 46-Jährigen sehr kritisch gegenüber. Seine Ernennung zum Trainer galt als Riesenüberraschung, als waghalsiges Experiment, nachdem die Nationalmannschaft bei der WM in Deutschland im Viertelfinale gegen Frankreich ausgeschieden war. In seiner Antrittsrede versprach Dunga, dass er das Team von allen "schlechten Elementen" befreien werde und die Brasilianer wieder stolz auf ihre Spieler sein könnten.

"Richtig ist, dass Dunga dem Team seine Handschrift verpasst hat - aber die will niemand lesen", sagt De Lazzari. Die Fans hätten keinerlei Freude an seinem nüchternen, vor allem auf einer stabilen Defensive basierenden Stil. Dunga hat sich mittlerweile damit abgefunden, das Feindbild der brasilianischen Medien zu sein. Und er scheut auch keinen offenen Konflikt. Am Tag vor dem Auftaktspiel gegen Nordkorea war ihm bei der offiziellen Pressekonferenz vor allem daran gelegen, Dampf abzulassen: "Ich werde von morgens bis abends verfolgt. Und wenn ich antworte, heißt es, ich sei barsch", sagte Dunga und rief den Journalisten zu: "Sie nutzen jeden Tag, auf mich einzuhauen."

De Lazzari und dessen Kollegen lassen solche öffentlichen Auftritte kalt. Der Trainer sei selbst schuld, er könne es sich ja einfach machen. "Dunga muss die Brasilianer nur Brasilianer sein lassen. Die Spieler dazu haben wir, obwohl er Ronaldinho oder Adriano nicht mitgenommen hat", sagt der Reporter, der die Frage, ob es mit Dunga überhaupt weitergehen könne, lächelnd beantwortet: "So schmerzhaft es wäre, der Titelgewinn würde alles vergessen lassen. Auch Brasilianer sind am Ende lieber schlechte Gewinner als gute Verlierer."

Dunga, der 1994 als Kapitän der Nationalmannschaft Weltmeister wurde und den schon als Spieler vor allem seine Hartnäckigkeit auszeichnete, kündigte nach dem Stotterstart gegen Nordkorea trotzig an, seinem Credo treu zu bleiben. "Das Allerwichtigste ist und bleibt, dass wir effizient auftreten. Es geht darum, keinen Fehler zu machen. Denn das kann einen auf dem Niveau eines solchen Turniers das Leben kosten", sagte der Trainer.

Lob aus der Heimat gab es derweil für Nordkorea. Die Staatsmedien bescheinigten dem Team leidenschaftlichen Einsatz, die Spieler hätten ihren Glauben nicht verloren und sich bis zum Anschlusstreffer Chancen erspielt, schrieb die Nachrichtenagentur KCNA. Selbst im verfeindeten Südkorea reagierten die Kommentatoren erstaunt auf den ersten Auftritt des Nachbarn bei einem WM-Turnier seit 1966. Trotz der Niederlage habe Nordkorea das Potenzial, auch gute Resultate gegen Portugal und die Elfenbeinküste zu erzielen, meinte "Sports Daily".