Simone Buchholz kommentiert die Übertragung des Portugal-Spiels

Wenn ich früher zu Hause in den Keller musste, um eine Flasche Apfelsaft, ein Glas Marmelade oder ein Bier zu holen, habe ich gesungen. Wegen des buckligen Monsters, das unter unserer Kellertreppe saß. Im Dunkeln sitzen ja alle möglichen Monster. Das Singen hat mir geholfen. Es hat mir Mut gemacht und meinen Gegner eingeschüchtert.

Eduardo, der lange Torhüter der Portugiesen, scheint diesen Trick zu kennen. Da steht er und singt seine Nationalhymne, nicht schön (die Melodie geht, glaub ich, anders), aber inbrünstig und laut. Ich kann das gut verstehen, dass Eduardo so schmettert. Die Jungs von der Elfenbeinküste sehen wirklich, wirklich gefährlich aus. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die Trikots jetzt besonders eng geschnitten sind oder ob die Männer, die drinstecken, einfach aus Stahlbeton gegossen wurden.

Ich glaube, an denen ist irgendwie mehr dran als an anderen. Echte Brecher. Und wie die in die Kamera gucken, o ja: Die verstehen keinen Spaß. Die tun eventuell weh. Denen muss man von Anfang an ein deutliches Signal geben, dass man sich nicht fürchtet, jawohl. Also, ich würde definitiv singen, wenn ich gleich gegen die Mannschaft von der Elfenbeinküste spielen müsste.

Cristiano Ronaldo betet in solchen Situationen offensichtlich lieber. Oder denkt er über ein paar neue Ohrringe nach? Es muss auf jeden Fall was Wichtiges sein. Er ist ganz versunken, in sich gekehrt. Wirkt zahm und leise, sogar fast etwas madonnenhaft, das Fräulein. Es ist merkwürdig, Ronaldo so still zu sehen. Ist ja nicht gerade bekannt dafür, gerne die Klappe zu halten. Außerdem muss es ziemlich schwer sein, sich zu konzentrieren, wenn der Nebenmann sich gerade das Gehirn aus dem Kopf singt.

Mein Verdacht: Eduardo hat mit seinem Gebrüll nicht nur den Ivorern, sondern auch seinem Kollegen Angst gemacht. Der hat jetzt nicht mal mehr genug Mumm, um überhaupt ein Lied anzustimmen - und betrachtet lieber seine Füße, ist ja auch mal ganz interessant. Unter Teamchef Franz Beckenbauer wäre so was übrigens nicht drin gewesen, einer singt, einer nicht, Hühnerhaufen. Da galt die Nationalhymnenmitsingpflicht. Weil Singen die Einstellung zum Spiel verbessert. Sag ich doch: Singt, Männer, und ihr müsst vor nichts Angst haben.

Simone Buchholz, 38, lebt als Autorin auf St. Pauli. Ihr neuer Krimi "Knastpralinen" ist bei Droemer Knaur erschienen.