Mit einer Mischung aus Härte und Gemeinschaftsgefühl will der Italiener Fabio Capello England zum zweiten WM-Titel führen

Rustenberg. Die Post kam direkt aus dem Krisengebiet. In Afghanistan kämpfen englische Soldaten gegen die Taliban. Sie riskieren täglich ihr Leben - und bleiben auch dabei Fußballfans. Die Männer nahmen in ihrem Biwak einen Film auf, in dem sie ihrer Nationalmannschaft viel Erfolg für das erste WM-Spiel am heutigen Sonnabend gegen die USA (20.30 Uhr, ARD) wünschen. Ihr Werk brannten sie auf DVD und schickten es nach Südafrika. "Wir haben uns das mit der ganzen Mannschaft angesehen und uns sehr darüber gefreut", sagt Steven Gerrard vom FC Liverpool.

Der Zuspruch tut dem Team gut. England hat vor dem Turnierstart zahlreiche Probleme. Neben Superstar David Beckham und Mittelfeldspieler Gareth Barry fällt auch Kapitän Rio Ferdinand verletzt aus, zudem hat Stürmer Wayne Rooney eine Diskussion über die Disziplin innerhalb des Kaders ausgelöst. Im letzten Test gegen das südafrikanische Team Platinum Stars (3:0) beleidigte der 24-Jährige von Manchester United den Schiedsrichter und flog nur nicht vom Platz, weil der Unparteiische Fan des Engländers ist, wie er nach dem Abpfiff zugab.

Trainer Fabio Capello rief nun alle Spieler zusammen und warnte sie vor Diskussionen mit den Schiedsrichtern. "Er hat uns gesagt, dass wir keine dummen Sachen machen sollen", sagt Gerrard, der Ferdinand als Kapitän vertritt. Dies gilt vor allem für Rooney, der als Hitzkopf bekannt ist. Bei der WM 2006 in Deutschland sah er nach einem Foul an Portugals Ricardo Carvalho im Viertelfinale die Rote Karte. Es war der Anfang vom Ende, England verlor 1:3 im Elfmeterschießen. "Er ist ein fantastischer Spieler, der Feuer in sich hat. Aber er muss es in die richtigen Bahnen lenken. Wir brauchen elf Spieler auf dem Feld", sagt Gerrard.

Zuletzt hat England 1990 ein WM-Halbfinale erreicht. Damals in Italien scheiterte man im Elfmeterschießen an Deutschland. Seither gab es ausnahmslos Enttäuschungen: Für die EM vor zwei Jahren in Österreich und der Schweiz qualifizierten sich die Briten nicht einmal.

Danach übernahm Capello und veränderte vieles. Sein Vorgänger Steve McClaren, inzwischen beim VfL Wolfsburg, hatte den Spielern 2006 intensiven Kontakt zu den Frauen und Freundinnen ("Wags") erlaubt. Sie wohnten nahe bei der Mannschaft in Baden-Baden. Capello hingegen bezeichnete die Spielerfrauen als "üblen Virus".

Ursprünglich wollte er sie gar nicht im Teamquartier sehen. Nach einem Gespräch mit Landsmann Marcello Lippi, der Italien betreut, erlaubt er nun zumindest Ausnahmen an freien Tagen. "Die Treffen mit den Familien waren beim WM-Sieg 2006 offenbar gut für den Mannschaftsgeist", sagt Capello.

Auch bei der Aufstellung geht der 63-Jährige ungewohnte Wege. Er wollte selbst gestern noch nicht sagen, welcher seiner drei Torhüter spielen wird. Fans spotten schon, dass die Schlussmänner so schlecht sind, dass Capello sich einfach nicht entscheiden kann, wer das kleinste Übel darstellt. Ihre Fehler bei Turnieren sind legendär. Ein Beispiel: 2002 ließ David Seaman im Viertelfinale gegen Brasilien (1:2) einen missglückten Freistoß Ronaldinhos hinter sich ins Netz fliegen.

Einen muss Capello aufstellen. Zur Auswahl stehen David James (39), gerade mit dem FC Portsmouth aus der Premier League abgestiegen, Joe Hart (23, Manchester City) und Robert Green (30, West Ham United). Kapitän Gerrard redet sich die Problemzone zwischen den Pfosten einfach schön: "Wir haben drei gute Torhüter. Der Trainer wird die richtige Entscheidung treffen."

Capello ist der Hoffnungsträger. Er hat aus den Einzelkönnern eine Mannschaft geformt und es geschafft, in der Qualifikation neun von zehn Spielen zu gewinnen. Das Tragen von Badelatschen außerhalb der Hotelzimmer hat er genauso verboten wie das Benutzen des Handys beim Essen. Theo Walcott vom FC Arsenal strich er aus dem Aufgebot, weil der seine taktischen Anweisungen nicht befolgte. Und dann installierte Capello auch noch kurzfristig Beckham als Assistenten. Härte und Gemeinschaftsgefühl, das kommt in England an: Der Verband verlängerte Capellos Vertrag schon vor Turnierbeginn bis 2012. Er soll jährlich knapp neun Millionen Euro verdienen - mehr als jeder andere WM-Trainer.

England: Green - Johnson, King, Terry, Ashley Cole - Lampard, Milner - Wright-Phillips, Gerrard - Heskey, Rooney.

USA: Howard - Cherundolo, Spector, Onyewu, Bocanegra - Bradley, Edu - Dempsey, Donovan - Altidore, Buddle.

Schiedsrichter: Simon (Brasilien)