DFB-Präsident Theo Zwanziger möchte den nach der WM auslaufenden Vertrag unbedingt verlängern

Pretoria. Es wird eine große Runde sein, die sich heute in der "Players Lounge" im Hotel "Velmore Grande" trifft. Die deutsche Nationalmannschaft hat sich zum Fernsehen verabredet, und so werden Spieler, Trainer und Betreuer einträchtig vor der Videowand sitzen und sich die ersten Spiele der Weltmeisterschaft anschauen. Via Kabel werden die Farben und Klänge des Landes hinter die hohen Mauern gebracht, die sonst daran abprallen. Zum ersten Mal wird sich Afrikas Begeisterung auch vor dem Team des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) entfalten. Und ganz sicher haben alle denselben Gedanken dabei: Endlich geht's los!

Morgen fliegt die Mannschaft nach Durban, und am Sonntag darf sie dann selbst ran - um 20.30 Uhr wird das Spiel gegen Australien angepfiffen. "Wir sind bereit und haben alles getan, um erfolgreich zu sein", hat Bundestrainer Joachim Löw gesagt. Die Vorbereitung wird unisono als "überragend" bezeichnet, die Spieler sollen allesamt in einer Topverfassung sein.

Immerhin hat die deutsche Mannschaft einen starken Händchenhalter an ihrer Seite. Präsident Theo Zwanziger vom Deutschen Fußball-Bund landet heute in Südafrika und wird sofort ins Mannschaftsquartier eilen, um den Spielern Mut zuzusprechen. Courage können sie brauchen, wurden sie doch ihres Anführers beraubt. Nach Michael Ballacks Ausfall haben Statistiker errechnet, dass Deutschland mit der jüngsten Mannschaft seit 1934 in ein WM-Turnier startet. Ob das Fluch oder Segen ist, wird sich zeigen.

Für Zwanziger ist es auf jeden Fall eine Chance: "Der Ausfall des Kapitäns, der mir für Ballack sehr leid tut, muss für unsere junge Mannschaft nicht zwingend negativ sein. Im Gegenteil: Ich denke, dass der Ausfall eines wichtigen Führungsspielers bei allen anderen Akteuren neue Kräfte freisetzen kann. Nach dem Motto: 'Jetzt erst recht!'", sagte Zwanziger, für den die Endplatzierung nicht der entscheidende Faktor ist, um von Erfolg oder Misserfolg zu sprechen: "Ich würde das nicht an einer Platzierung festmachen. Ich erwarte, dass unsere junge Mannschaft mit großer Leidenschaft und hohem Engagement für die vielen Fans in Deutschland spielt. Nicht mehr und nicht weniger." Sollte dies gelingen, werde sich der Erfolg von selbst einstellen, glaubt der Präsident.

Und wenn nicht? Was, wenn die Pessimisten wirklich Recht behalten und das Turnier für die junge Mannschaft zu früh kommt? Ist dann Bundestrainer Löw automatisch entlassen? Noch vor wenigen Wochen hätte jeder diese Frage mit "Ja" beantwortet. Zu tief schien das Zerwürfnis zwischen dem DFB und seinen leitenden Angestellten. Die Verbandsbosse schmollten, weil Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff für sich und den Trainerstab mit teilweise überzogenen Forderungen für eine vorzeitige Vertragsverlängerung vorstellig geworden war. Löw & Co. wiederum waren tief getroffen, dass die pikanten Details an die Presse lanciert wurden. Der Trainer sprach von einem Vertrauensverlust, die Indiskretionen hätten ihn tief verletzt.

Seither gab es wieder Annäherungen in der Frankfurter DFB-Zentrale. Zwar gelten die Kontrakte der sportlichen Leitung weiterhin nicht über die WM hinaus, aber auf beiden Seiten wird das Scheitern der Verhandlungen nun nicht mehr als Spaltaxt empfunden. Zwanziger rühmte Löw vor seinem Flug nach Südafrika gar als "sehr starken Bundestrainer". Er habe "vollstes Vertrauen in ihn und sein Trainerteam", sagte Zwanziger. Natürlich seien bei den gescheiterten Vertragsverhandlungen auf allen Seiten Fehler gemacht worden, und es wäre eine für alle Beteiligten sehr unangenehme Situation gewesen: "Doch wir haben das seither in zahlreichen Gesprächen ehrlich und konsequent wieder in Ordnung gebracht. Da ist nichts hängen geblieben, und mein Vertrauensverhältnis zum Bundestrainer ist wieder absolut intakt." Und so soll geschehen, was einst als kluge Geste und vor kurzem plötzlich als undenkbar galt: Löw soll Trainer der Nationalmannschaft bleiben - unabhängig vom Abschneiden bei der WM. Er würde es "uneingeschränkt begrüßen", sagte Zwanziger, wenn Löw weitermachen würde. Mehr noch: "Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um den Vertrag mit Joachim Löw nach der WM zu verlängern."

Die wuchtigen Worte des mächtigsten Mannes im deutschen Fußball sind ihm vorausgeeilt. Ja, die WM kann endlich beginnen. Auch für Deutschland.