Nach Ballack, Essien, Drogba, Pirlo und Ferdinand droht mit Arjen Robben der nächste Superstar in Südafrika auszufallen

Hamburg. Der gestrige Sonntag war für die zuletzt so gestressten Mannschaftsärzte der Nationalteams ein guter Tag. Abgesehen vom schönen Wetter - sowohl hier als auch am Kap - sorgte fünf Tage vor dem offiziellen Startschuss der WM in Südafrika besonders eine Nachricht für große Erleichterung unter den Medizinern: die Nachricht, dass es keine Nachricht gab. Nachdem in den Tagen zuvor beinahe täglich irgendein Fußballstar wegen irgendeiner Verletzung für die am Freitag startende WM absagte, durften die Ärzte also gestern überwiegend einen ruhigen Sonntag genießen. Dabei hatten sich die Sportnachrichten der Zeitungen zuletzt wie ein Fortsetzungsroman der "Apotheken-Umschau" gelesen. Arbeitstitel: Einer geht noch, einer geht noch heim.

Tatsächlich droht die Liste der prominenten Ausfälle für die Weltmeisterschaft in Südafrika bereits vor dem Auftakt immer länger zu werden: Nach Englands Superstar Rio Ferdinand, der wegen einer Knieverletzung passen muss, bangen nun Didier Drogba (Elfenbeinküste) und aktuell auch Arjen Robben um ihren Einsatz. Der Stürmer des FC Bayern München zog sich beim 6:1-Schützenfest der Niederländer am Sonnabend in Amsterdam gegen Ungarn eine Muskelverletzung im linken Oberschenkel zu - und versetzte eine ganze Nation in Aufruhr. Wegen seines Handicaps flog er auch nicht mit der Mannschaft nach Johannesburg.

"Die Behandlungsmethoden für derartige Verletzungen haben sich enorm verbessert, deshalb gebe ich die Hoffnung noch nicht auf", machte Bondscoach Bert van Marwijk trotzig sich, Robben und der Nation Hoffnung. Eine Kernspintomografie konnte gestern zwar nicht für Entwarnung sorgen, entgegen früherer Befürchtungen besteht laut niederländischem Verband aber die Chance auf einen Einsatz während der WM, Robben bleibe daher im Kader. "In den nächsten Tagen" soll entschieden werden, wann der Patient nach Südafrika reist.

Die ganze Elfenbeinküste hofft auf ein kleines Drogba-Wunder

Auch Drogba, der zwischenzeitlich selbst gar nicht mehr an seine WM-Teilnahme zu glauben wagte, gibt die Hoffnung nicht auf. Nach einer Operation in Bern an seinem gebrochenen Ellbogen kann der Ivorer nun doch noch mit einem verspäteten Einsatz in Südafrika rechnen. "Der notwendige chirurgische Eingriff ist erfolgreich verlaufen", teilte Hego Ouattara, Generalsekretär des Fußballverbandes der Elfenbeinküste (FIF), mit. Die Ärzte und der medizinische Stab der "Elefanten" seien zuversichtlich, dass es "eine schnelle Genesung bei dem Spieler" gibt, hieß es in einer Presseerklärung der FIF, die an der Elfenbeinküste fast schon gefeiert wurde wie ein möglicher Weltmeistertitel.

Chelsea-Syndrom? Fünf Profis aus London könnten ausfallen

Ob Drogba im Gegensatz zu Michael Ballack, Michael Essien, John Obi Mikel und José Bosingwa, seinen ebenfalls verletzten Vereinskollegen vom FC Chelsea, doch noch in letzter Minute auf den WM-Zug aufspringen kann, wird sich erst in den kommenden Tagen zeigen. Längst machen unter Fußballfans erste Verschwörungstheorien von einem "Syndrom Chelsea" die Runde. Schließlich könne es doch kein Zufall sein, dass mit Ballack (Deutschland/Syndesmosebandriss), Essien (Ghana/Kreuzbandriss), Obi Mikel (Nigeria/Trainingsrückstand nach Knie-OP) und Bosingwa (Portugal/Knieverletzung) gleich vier Leistungsträger definitiv ausfallen. Und mit Drogba droht der fünfte Superstar vom Londoner Spitzenklub das ohnehin schon überlaufende WM-Lazarett zu füllen.

Selbst die sonst immer neutralen Eidgenossen blieben vom Verletzungsfluch nicht verschont: Die Schweiz bangt nach dem 1:1 im WM-Test gegen Weltmeister Italien und den vorangegangenen Ausfällen von Marco Streller und Christoph Spycher um Mittelfeldmann Valon Behrami. Der Profi von West Ham United - wie auch Chelsea ein Verein aus London - musste am Sonnabend mit Verdacht auf eine Oberschenkelzerrung vom Platz. Seine WM-Teilnahme ist genauso in Gefahr wie auf der Gegenseite die von Andrea Pirlo. Der Mittelfeldmann des AC Mailand hat sich eine Wadenzerrung zugezogen und fällt für mindestens zwei bis drei Wochen aus. Für Italiens Nationaltrainer Marcello Lippi ist Pirlos Verletzung bereits der zweite Rückschlag. Der Einsatz von Mauro Camoranesi ist aufgrund einer Knieblessur ebenfalls fraglich. Der gebürtige Argentinier, der seit 2003 das hellblaue Trikot der Squadra azzurra trägt, hat übrigens nie in London gespielt. Der 34-jährige Oldie ist seit einer gefühlten Ewigkeit - genau genommen seit acht Jahren - bei Juventus Turin unter Vertrag. Helfen wird ihm das allerdings auch nicht.