Heute startet das WM-Abenteuer der deutschen Mannschaft in Südafrika. Das Abendblatt schaute sich schon vorher im Mannschaftsquartier um

Frankfurt/Pretoria. Schon Stunden vor dem Abflug des ersten Lufthansa-Airbus A380 mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft an Bord standen gestern Abend Hunderte Fußballfans Schlange am Frankfurter Flughafen. Alle wollten nur eins: einen guten Platz auf der Besucherterrasse, um dem Tross der Nationalmannschaft ein letztes Mal vor der weiten Reise nach Südafrika zu winken und viel Glück zu wünschen. Am Ende fiel der Abschied ein wenig ins Wasser, weil sich ein Unwetter über der Mainmetropole entlud. Ein böses Omen? Nicht wenn es nach Philipp Lahm geht: "Ich hatte vor der WM 2006 ein gutes Gefühl und habe jetzt ein noch besseres Gefühl", sagte der neue Kapitän vor dem Start des Sonderfluges LH 2010, der sich um wenige Minuten verzögerte, weil die mitreisende wie mitreißende Popsängerin Shakira verspätet in Frankfurt eintraf. Auch dem letzten Fußballmuffel war derweil am Flughafen klar: Es geht endlich los, die Weltmeisterschaft kann beginnen.

Auch Maesala ist aufgeregt. Anders als in Frankfurt wird der Trubel am Kap zwar überschaubar sein, aber auch der Sicherheitsmann ist frohen Mutes, wenn die deutsche Nationalmannschaft heute um kurz nach sieben Uhr am Morgen endlich südafrikanischen Boden betreten wird. Eine Stunde später werden sich er und seine Kollegen aus dem Hotel "Velmore Grande" versammeln, um die Spieler und Betreuer zu begrüßen. "Wann werde ich noch einmal die Chance haben, meinen Vorbildern so nahe zu sein?", sagt der stämmige Schwarze. Um nach Deutschland zu reisen, sei er zu arm. Darum will er jeden Moment mit den berühmten Fußballstars auskosten.

Es vibriert auf dem weitläufigen Hotelgelände. Überall säumen Deutschland-Fahnen die Wege, Bedienstete fegen und putzen, und über dem Eingang prangt ein großes Schild: "Velmore welcomes the German National Team". Herzlich willkommen bei der Endrunde der Weltmeisterschaft!

Herzlich willkommen in der Einöde! Es ist das abgelegenste Mannschaftsquartier seit 1978, als die deutsche Auswahl mit Bundestrainer Helmut Schön in der argentinischen Pampa gastierte. "Ascochinga" hieß das Fleckchen im Niemandsland, und die Übersetzung "Toter Hund" war keine Erfindung der frustrierten Spieler, sondern tatsächlich wortgetreu aus der Indianersprache übernommen. Das "Velmore" tritt nun aussichtsreich gegen "Ascochinga" an. Es liegt 30 Kilometer von Pretoria und 70 Kilometer von Johannesburg entfernt. Da sind spontane Shoppingtouren wie bei der WM 2006 in Berlin nicht drin - und aus Sicherheitsgründen auch nicht empfehlenswert. Nicht einmal ein Spaziergang außerhalb des Hotels wird erlaubt sein.

1000 Hotelangestellte können das Team kaum erwarten

Aber: Wo sollten die Deutschen auch hingehen? Auf der anderen Straßenseite beginnt die Savanne. Gelbes, vertrocknetes Gras steht so hoch, dass es Per Mertesacker (1,98 m) unter den Armen kitzeln würde und Philipp Lahn (1,70 m) ein Navigationssystem bräuchte, wenn sie sich in diesen Wildwuchs trauen würden. Im roten Staub steht ein Münztelefon, und fast entsteht der Wunsch nach einem Ausfall der Mobilfunkverbindung, um Bastian Schweinsteiger oder Lukas Podolski um den Telefonhörer rangeln zu sehen. Doch das wird nicht passieren. Seit Monaten bereitet sich das Hotel auf die prominenten Gäste vor. Sogar der Streit um das Fehlen von Lizenzen wurde in der Vorwoche im Eilverfahren beigelegt. Nein, es kann losgehen, und die rund 1000 Angestellten können es kaum erwarten, dass sich heute das Tor öffnet und der Mannschaftsbus einfährt.

"Slow down" steht in leuchtenden Lettern auf der Straße, jeweils 50 Meter vor und hinter der Hoteleinfahrt. Die Bitte um moderate Fahrweise ist ebenso frisch aufgetragen wie der Zebrastreifen, der die Journalisten sicher vom Medienzentrum zum kleinen Parkplatz auf der anderen Seite geleiten soll. Und von den "Potheads", den Schlaglöchern, vor denen Schilder warnen, ist auch nicht mehr viel zu sehen. Einen Steinwurf vom "Velmore" entfernt lockt der "A.E. Suliman General Dealer Store" mit Sonderangeboten. Derzeit sind die Bananen reduziert, allerdings auch schon etwas überreif. Hoffentlich kommen die deutschen Spieler mal vorbei und kaufen was, sagt der Verkäufer in seinem Verschlag aus weißen Gitterstäben, er würde sich freuen.

Doch die Chancen auf ein persönliches Treffen sind gering. Cacau, Klose & Co. werden ihren Hochsicherheitstrakt nur für die Spiele und eine öffentliche Trainingseinheit verlassen. Die findet heute im "Super Stadium" in Atteridgeville statt, sechs Kilometer vom Mannschaftshotel entfernt. Ansonsten muss sich die Mannschaft auf dem Hotelgelände vergnügen. Dort stehen den Spielern neben Trainingsplätzen und Fitnesscenter sämtliche Errungenschaften der modernen Unterhaltungselektronik zur Verfügung. Sogar eigene Spaßsponsoren hat der Deutsche Fußball-Bund aufgetrieben - die Schmidt-Gruppe und das Berliner Unternehmen Bally Wulff rüsten das Hotel mit Männerspielzeug aus. Zudem wurde eine Sauna mit Platz für bis zu 15 Personen importiert. Und Zeugwart Thomas Mai hat zehn Tonnen Ausrüstung eingepackt, damit die Spieler im afrikanischen Winter auch immer den Temperaturen entsprechend gekleidet sind.

Doch nicht nur die Betreuer haben ein mächtiges Bündel geschnürt. Neben dem Hotel ist ein mobiles Fernsehzentrum entstanden, von wo ARD, ZDF, RTL und Sky senden. Sieben Überseecontainer an Material wurden verschifft, davon kommen einige direkt aus Vancouver, wo sie bei den olympischen Winterspielen eingesetzt wurden. Eineinhalb Monate waren sie unterwegs. Drei Generatoren versorgen die Anstalten mit Strom, allerdings darf nachts maximal einer von denen in Betrieb sein. Die Bettruhe der erfolgshungrigen Nationalspieler soll schließlich nicht gestört werden.