Wie Trainer José Mourinho mit Inter Mailand den FC Barcelona ausschaltete - und was den Bayern blüht

Barcelona/Berlin. José Mourinho stand der Wahnsinn ins Gesicht geschrieben, als er nach dem Schlusspfiff über den Rasen des Camp Nou fegte. Inmitten eines bizarren Szenarios - die Gastgeber hatten die Sprinkler aufgedreht, um Inter Mailand die Party zu vermiesen, was sich jedoch als aussichtslos herausstellte: Die Spieler planschten mit dem Wasser wie Kinder nach einem Sommertag auf dem Bolzplatz. Allein Mourinho hatte nichts Spielerisches an sich, seine Freude war purer Triumph. Immer wieder zeigte er mit dem Finger nach oben, wo die einzige Instanz residiert, die er für noch spezieller hält als sich selbst. In Trance salutierte er dem Publikum, nicht einmal eine rüde Attacke von Barcelonas Torwart Victor Valdes konnte ihn irgendwie beeindrucken - es war eine diabolische Show.

In den Minuten nach Spielende explodierten alle Gefühle

Aber so einen Sieg wie diesen - nun ja, eine Niederlage - hatte selbst dieser Trainer, Champions-League-Sieger mit Porto, mehrmaliger Meister mit Chelsea und Inter, noch nie gefeiert. Er selbst nannte ihn "seinen größten". In den Minuten nach Spielende explodierten alle Gefühle und Aggressionen, die er in den Tagen zuvor gut versteckt hatte. Vor der Partie hatte er die erhitzte Stimmung in Barcelona noch pastoral kommentiert, es gehe doch nur um ein Spiel, nicht um Krieg. Und das Finale in Madrid sei für Barcelona wohl eine Obsession, für Inter aber bloß ein Traum.

Sobald der Ball in Bewegung war, gab es ein anderes Bild. Wild begleitete Mourinho am Seitenrand das Geschehen, die frühe Rote Karte gegen Motta (28. Minute), die 76 Prozent Ballbesitz des Gegners, das für einen Verteidiger selten kunstvolle Tor von Piqué (84.) und die strittige Entscheidung bei einem aberkannten Gegentor.

So hieß es nach dem 3:1 im Hinspiel diesmal 0:1. Es gab keine eigene Torchance, aber einen perfekten Inter-Catenaccio wie einst unter dessen Erfinder Helenio Herrera in den 60er-Jahren. Ohne einen Italiener in der Anfangself spielte Inter durch und durch italienisch; jetzt hat es im Finale die Chance, sich eine Obsession, pardon: einen Traum zu erfüllen, in den Präsident Massimo Moratti in den eine knappe Milliarde Euro investiert hat: zum ersten Mal seit 45 Jahren wieder den wichtigsten Europapokal zu gewinnen.

"Wir waren Helden, wir haben Blut geschwitzt", lobte der oberste Feldherr Mourinho. Für ihn wird das Finale eine relativ entspannte Angelegenheit, denn seine Obsession ist bereits erfüllt. Selbst die Genugtuung über die Siege im Achtelfinale über seinen früheren Klub Chelsea (2:1, 1:0) ist nicht vergleichbar mit dieser. In den 90er-Jahren arbeitete er als Übersetzer und Assistent in Barcelona. Aber sie haben ihm immer die Anerkennung verweigert, weil sie seine Aufsteigerattitüde verachteten, seine Selbstverliebtheit, den soldatischen Fußball seiner Mannschaften.

Eine Nacht wie diese heilt manche Wunden

Im Sommer 2008 war der Klub dennoch kurz davor, ihn zu engagieren - so undiszipliniert war das Team, dass nur noch Mourinho zu helfen schien. Doch dann entschieden sie sich für den Trainerneuling "Pep" Guardiola, der es auf Anhieb mit zauberhaftem Spiel und sechs Titeln dankte. Guardiola hat vieles, was Mourinho fehlt: eine große Spielerkarriere, einen festen Platz in der Geschichte des FC Barcelona, die Liebe der Katalanen. Aber eine Nacht wie diese heilt manche Wunden.

Im Finale am 22. Mai steht für Mourinho eine ungleich angenehmere Begegnung mit seiner katalanischen Vergangenheit an - er trifft auf Louis van Gaal, seinen Chef zwischen 1997 und 2000. Der Niederländer hatte Mourinho weitreichende Kompetenzen gegeben, bis heute verbindet beide nicht nur die absolute Überzeugung von sich selbst - sondern auch eine Freundschaft samt regem SMS-Verkehr.

Mourinhos Zukunft ist offen. Bei Real Madrid wachsen die Begehrlichkeiten. Und Barcelona, seine ewige Versuchung? "Nur einem dummen Trainer würde es nicht gefallen, hier zu trainieren", sagte er. "Aber der Hass lässt sich nicht in Liebe umwandeln."

Aber es bleiben noch ein paar Jahre Zeit. Er wolle trainieren, bis er 70 sei, sagte José Mourinho. Er ist jetzt 47.