Madrid. Florentino Perez rückte auf seinem breiten Sessel immer weiter nach rechts, möglichst weit weg vom Sitznachbarn Joan Laporta, der sein Grinsen nur schwer unterdrücken konnte. Am liebsten wäre der Präsident von Real Madrid vermutlich noch vor dem Schlusspfiff aus dem Stadion geflüchtet und hätte seinen Kollegen vom FC Barcelona alleine gelassen. Die Rekordsumme von gut 250 Millionen Euro hatte Baulöwe Perez zu Saisonbeginn in die Mannschaft gepumpt, und nun wurde sie vorgeführt vom großen Feind, der seine Besten aus dem eigenen Nachwuchs holt. Die Blau-Granatroten ließen den Ball durch die eigenen Reihen zischen, die Weißen rannten kopflos hinterher.

Nie zuvor in der Geschichte war Real Madrid zwei Jahre in Folge im Bernabeu-Stadion dem Rivalen unterlegen. Nun setzte es am Sonnabend nach dem 2:6 der Vorsaison ein 0:2, und die Niederlage hätte noch höher ausfallen können. Der Fluch geht also weiter. Als wolle eine höhere Macht in diesen Zeiten der wirtschaftlichen Krise den Größenwahnsinnigen Denkzettel verpassen, stürzen die "Königlichen" von einem Fettnapf in den nächsten. Der zehnte Europacupsieg war eines der erklärten Saisonziele, stattdessen dreht die Zahl zehn den Madrilenen eine Nase: Am 10. November flog der Krösus gegen den Drittligisten Alcorcón aus dem Pokal, am 10. März gegen Lyon aus der Champions League, und nun am 10. April wohl auch aus dem Rennen um die Meisterschaft.

Der weltweit mit Spannung verfolgte "Clasico" lief ab wie die letzten Vergleiche der beiden Schwergewichte Spaniens: Die Einheit mit Konzept und Stil machte den zusammengekauften Haufen von Einzelkönnern lächerlich. Reals 94-Millionen-Diva Cristiano Ronaldo trug neue Fußballschuhe in den Farben lila, pink und blau, und sogar die Nackenhaare waren zu einer fledermausähnlichen Form auseinandergegelt! Als Fußballer fiel Ronaldo durch, er agierte eigensinnig, gemeinschaftsschädigend und erfolglos. Ein Tor, das 1:0 in der 33. Minute, erzielte stattdessen Konkurrent Lionel Messi, der den Vergleich der zwei derzeit weltbesten Kicker klar gewann und hinterher auch die richtigen Worte fand. Er verstand nämlich, dass dieses Einzelduell zweitrangig war, und sagte: "Barca war Real überlegen, das zählt." Überragender Akteur einer durchschnittlichen Partie war im übrigen keiner der beiden Stars, sondern Mittelfeldmetronom Xavi, der die Treffer Messis und Pedros (55.) genial vorbereitete.

Das Starsystem wurde also im Großen wie im Kleinen als Irrweg entlarvt. Für den obersten Verfechter des Kapitalistenfußballs fällt die Bilanz vernichtend aus: In der Amtszeit von Perez gewann Real von bisher 21 möglichen Titeln nur drei. Trotz Figo, Zidane, Beckham, Ronaldo und Cristiano Ronaldo. Wird Perez diesmal aus den Fehlern lernen und dem aktuellen Personal mehr Zeit geben? Vermutlich wechselt er wieder den Trainer und kauft eine Handvoll neuer Berühmtheiten, deren Ankunft pompös gefeiert wird.

Generaldirektor Jorge Valdano weiß, dass sich die Mannschaft noch entwickeln muss: "Wir sind in den wichtigen Spielen zu angespannt und überhastet", sagte der Argentinier, "uns fehlt die Reife." Nur eine große Chance wurde erspielt, der frühere HSV-Star Rafael van der Vaart, für den verletzten Kaka in der Startelf, scheiterte freistehend an Barca-Fänger Victor Valdes.

Während Perez von seinem Sessel zu kippen drohte, füllte sich in Barcelona der Prachtboulevard Ramblas mit Tausenden Fans. Wenn Inter Mailand im Halbfinale bezwungen wird, dann könnten die Katalanen am 22. Mai auch zum zweiten Mal in Folge die Champions League gewinnen. Das Finale steigt im Bernabeu-Stadion. Im Angesicht der nächsten Demütigung wird Florentino Perez den Stadionschlüssel vermutlich bei der Uefa abgeben und sich auf einer einsamen Insel verstecken.