Mit einem Sieg bei Werder Bremen könnte der Zweitligist, vor zehn Jahren noch fast insolvent, ins Pokalfinale einziehen.

Bremen/Hamburg. Für den FC Augsburg ist es das größte Spiel der Vereinsgeschichte. Mit einem Sieg bei Werder Bremen könnte der Zweitligist, vor zehn Jahren noch fast insolvent, ins Pokalfinale einziehen. Andreas Rettig, Manager des Traditionsklubs, glaubt an die große Chance.

Hamburger Abendblatt : Herr Rettig, auf den Plakaten für das Pokal-Halbfinale in Bremen wirbt der FC Augsburg mit Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer, den Helden der Augsburger Puppenkiste. Ist das Puppentheater in Augsburg bekannter als der heimische Zweitliga-Spitzenklub?

Andreas Rettig : Den Bekanntheitsgrad der Puppenkiste müssen wir erst noch erreichen. Jim Knopf kennt in Deutschland jedes Kind. Wir müssen hier nach wie vor Pionierarbeit leisten. In 27 Jahren ohne Profifußball haben wir eine ganze Fan-Generation verloren. Da müssen Sie findig sein. Nach dem Motto "Leistung muss sich lohnen" haben wir etwa jeden Schüler, der eine Eins auf dem Zeugnis hatte, mit einer Freikarte für ein Heimspiel belohnt.

Abendblatt : Trotz aller Erfolge liegen Sie aber noch unter dem kalkulierten Zuschauerschnitt von 17 500 Fans.

Rettig : Da haben wir sicherlich noch Luft nach oben. Aber in der Endphase der Saison werden wir diesen Schnitt auf jeden Fall noch erreichen. In Augsburg braucht man Geduld.

Abendblatt : Erklären Sie uns das Erfolgsgeheimnis.

Rettig : Da ist allen voran Jos Luhukay zu erwähnen. Seine vergangenen Erfolge kommen mir oft zu kurz. Luhukay ist als Assistent beim 1. FC Köln und als Cheftrainer mit Mönchengladbach schon dreimal aufgestiegen, hat dann mit Paderborn die beste Zweitliga-Platzierung der Vereinsgeschichte erreicht. Zudem profitieren wir davon, dass wir in einem ruhigen Umfeld langfristig arbeiten können. Hier nimmt sich niemand zu wichtig.

Abendblatt: Ohne Geldgeber und Präsident Walter Seinsch, den Chef der Textilketten Kik und Takko, wäre der Aufschwung aber nicht möglich gewesen.

Rettig : Das stimmt. Unser Präsident hat für den Stadionbau Gelder eingesammelt. Sonst wäre das in dieser Form nicht möglich gewesen.

Abendblatt: Es fällt auf, dass es gegenüber Seinsch keinerlei Anfeindungen gibt. Ganz im Gegensatz zu Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp.

Rettig : Dies können Sie auch nicht vergleichen. Seinsch hält sich öffentlich sehr zurück, in der bundesweiten Fanszene ist er nahezu unbekannt. Außerdem trennen Hoffenheim und Augsburg wirtschaftlich gesehen Welten. Wir geben nur aus, was wir vertreten können. So liegen unsere Transferausgaben unter 400 000 Euro.

Abendblatt : Bescheidenheit als Geschäftsmodell?

Rettig : Die Kaffeemaschine, die bei mir in der Geschäftsstelle steht, habe ich von daheim mitgebracht. Die erste Polstergarnitur in meinem Büro stand früher im Wohnzimmer von Herrn Seinsch. Aber die wurde inzwischen ausgewechselt. (lacht)

Abendblatt : Auch Ihre Neuzugänge waren anderswo nicht erste Wahl.

Rettig : Simon Jentzsch hat in Wolfsburg anderthalb Jahre nicht mehr gespielt. Dann ist unser Torwart-Trainer hingefahren, hat ihm drei Tage Bälle auf knüppelhartem Boden aufs Tor geknallt. Da wussten wir, dass der noch brennt.

Abendblatt : Auch Top-Torjäger Michael Thurk kam aus Frankfurt für kleines Geld.

Rettig : Sein Wechsel war für uns Gold wert. Unter Jos Luhukay ist er richtig aufgeblüht.

Abendblatt : Mit 45 Millionen Euro war auch Ihr neues Stadion vergleichsweise preiswert.

Rettig : Da war die Tiefgarage der Münchner Allianz-Arena, und das ist jetzt kein Spruch, teurer. Wir sind sparsam, sagen eben öfter auch mal Nein, wenn Spielerberater mit unrealistischen Forderungen kommen. Wir wollen uns bewusst dem ganzen Hype in diesem Geschäft verweigern. Bei uns putzen auch noch alle Spieler die Schuhe selbst.

Abendblatt: Kann dieses Modell denn auch in der Bundesliga funktionieren?

Rettig : Über den Aufstieg sprechen wir nicht. Ich rede nur über den DFB-Pokal. Und da sage ich sehr klar: Wir wollen Werder schlagen, wir wollen nach Berlin ins Endspiel. Und ich halte das auch absolut für machbar. Auch wenn ich glaube, dass wir nicht hoch gewinnen. (lacht)

Abendblatt: Im Kampf um den Aufstieg in die Bundesliga ist jetzt der FC St. Pauli Ihr großer Konkurrent.

Rettig : St. Pauli ist ein Klub, den man einfach lieben muss. Deshalb gönne ich dem Klub auch, dass er am Ende den momentanen dritten Rang verteidigt.

Abendblatt: Sehr nett von Ihnen. Schließlich würde Rang drei für St. Pauli die Relegation bedeuten - und für Augsburg wohl den zweiten Platz und damit den direkten Aufstieg.

Rettig : Das sagen jetzt Sie. Ich sage nur, dass ich sehr enttäuscht wäre, wenn es für uns nach dieser Saison nur zu Rang vier reichen würde.