München verliert in der Schlussphase. Für van Gaal wiegt das Personalproblem aber noch schwerer.

Frankfurt. Auf dem Weg zur Pressekonferenz legte Louis van Gaal noch einen Zwischenstopp ein. Man hatte ihm einem Zettel gereicht, der die Fakten des Spiels zusammenfasste. Der Statistikzettel der Bundesliga-Datenbank Impire übte offenbar eine gewisse Faszination auf den Trainer von Bayern München aus und es hatte beinahe den Anschein, als lerne er alles auswendig.

Nach zwei Minuten schob ihn Pressesprecher Markus Hörwick sanft weiter in den Raum, in dem die Reporter auf Erklärungen für das 1:2 (1:0) bei Eintracht Frankfurt wartete - die erste Niederlage nach 19 Bundesligaspielen. Manch einer erwartete einen seiner gefürchteten Wutausbrüche.

Nun, das Auditorium musste sich gedulden, erst der fünfte Fragesteller bekam sein Fett ab. Warum er nicht eher auf die Schwächen auf der linken Seite, über die beide Tor gefallen seien, reagiert habe? "Das ist Ihre Meinung. Das können Sie sagen, aber ich bin damit nicht einverstanden", knurrte der Niederländer und punktete dann mit vermeintlichen Fakten vom Statistikzettel. Er habe eben gelesen, dass die meisten Flanken von der anderen Seite gekommen seien und das "ist unglaublich, he?". Alles lachte. Wieder mal ein Sieg des Fußballlehrers über seine Kritiker.

Es blieb der einzige für die Bayern am Sonnabend, und er war "irregulär". Denn der Statistikzettel, den van Gaal so lange studiert hatte, enthielt zwar so allerlei, nur keine Angaben, von wo all die gefahrbringenden Flanken in den Bayern-Strafraum gekommen waren. Und so muss van Gaals Taschenspielertrick wohl in die Kategorie "Welpenschutz" eingeordnet werden.

Denn der 17-jährige David Alaba, das sah jeder im Stadion spätestens nach zehn Minuten, hatte einen miserablen Tag erwischt. In Serie ließ der dunkelhäutige Österreicher die Flanken von rechts zu, den Augleich durch Jouvel Tsoumel bereitete er mit einem Rückpass vor, den selbst van Gaal "eine Fehlentscheidung" nannte, und das 2:1 von Martin Fenin erlaubte er durch geradezu höfliche Zurückhaltung gegenüber dem Tschechen. All das in den drei letzten Minuten, in der die längst unverdiente Führung durch ein Klose-Tor (6.) binnen 104 Sekunden hergeschenkt worden war. Fertig war die erste Bayern-Niederlage seit Ende September. Sie allein wäre kein Grund zur Panik, wirklich Sorgen macht jedoch die Leistung der Defensive.

Gewiss, mit der etatmäßigen Stammbesetzung wären sie auch 2010 salonfähig, aber nach Martin Demichelis (Knochenbrüche im Gesicht) fiel auch der ohnehin formschwache Daniel van Buyten aus, mit dickem Auge (Diagnose: Jochbeinprellung) schlurfte er nach 80 Minuten vom Platz. Nun muss also Milchbart Holger Badstuber, gerade 21 geworden, den van Gaal eher als Linksverteidiger sieht, die Mittelstürmer erschrecken. An den Einsatz der Karteileichen Görlitz und Lell, immerhin gestandene Profis, verschwendet van Gaal weiterhin keinen Gedanken.

Die Erkenntnis von Frankfurt also ist: Der FC Bayern ist nur noch bedingt abwehrbereit. Van Gaal bezeichnete diese Situation als schlimmer als die Niederlage. Klar, denn nun drohen weitere zu folgen. Die Personalnot kommt zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt: Wie immer um Ostern herum stehen für die Münchner die Wochen der Wahrheit bevor. Wichtige Spiele in drei Wettbewerben gegen starke Gegner wie Schalke 04 (Mittwoch im DFB-Pokal), Stuttgart, Leverkusen und Manchester United. Alle ausnahmslos stärker jedenfalls als die, gegen die die Bayern seit Wochen schon Federn lassen, was Sportdirektor Christian Nerlinger kritisch anmerkte: "Wir haben schon in Köln und Nürnberg Punkte liegen lassen, und auch in Frankfurt haben wir trotz des frühen Tores keine Dominanz ausgestrahlt." Van Gaal gab sich derweil "drei Tage Zeit, die Mannschaft wieder aufzurichten". Eine neue Abwehr wird er bis dahin kaum finden.