Frankfurt/Main. Bundesliga-Referee Michael Kempter hat Ex-Schiedsrichtersprecher Manfred Amerell mit intimsten Details über den Sexskandal erstmals in aller Öffentlichkeit schwer belastet und juristische Schritte nicht ausgeschlossen. Amerells Anwalt Jürgen Langer erhöhte im Gegenzug den Druck auf Kempter sowie den Deutschen Fußball-Bund (DFB) um DFB-Boss Theo Zwanziger und verwies auf die Verhandlung am 4. März vor dem Landgericht München I.

Für Kempter ist die Sache jedoch klar. "Ich war das Opfer", erklärte der 27-Jährige in mehreren Interviews und offenbarte dabei schonungslos Details. "Herr Amerell hat mich auch auf den Mund geküsst", sagte Kempter. In den vergangenen zwei Jahren habe sich alles verstärkt: "Erst nur mit Hand auflegen auf den Oberschenkeln - und dann wanderte die Hand immer weiter, in die Hose, in den Genitalbereich. Ich wollte nicht, aber er hat nicht aufgehört."

Insgesamt habe es nach Kempters Angabe drei Vorfälle gegeben. Auf die Frage, wo die von ihm geschilderten Dinge geschehen seien, sagte Kempter: "Im Auto, auf der Fahrt von einem Spiel zum Hotel und im Hotelzimmer nach einem Spiel." Es habe aber keinen Geschlechtsverkehr gegeben: "Nein, das wäre ja noch schlimmer."

Seinen Schritt an die Öffentlichkeit begründete Kempter damit, dass er die von Amerell getätigten Aussagen so nicht stehen lassen wollte und auch andere Schiedsrichter als "Opfer" betroffen seien. Ob er juristisch gegen Amerell vorgehen wird, ließ Kempter offen: "Darüber denken wir nach." Zugleich richtete er den Blick auf sein Comeback in der Bundesliga: "Ich will in den nächsten Wochen so schnell wie möglich wieder pfeifen."

Amerells Anwalt Jürgen Langer nannte die Aussagen von Kempter "irritierend und bedenklich". Langer verwies auf den Termin am 4. März vor dem Landgericht München I: "Dort wird die Wahrheit ans Licht kommen." Amerell und Langer wollen in einem Zivilverfahren gegen den DFB eine einstweilige Verfügung erreichen, wonach der Verband nicht mehr von "sexueller Belästigung und Übergriffen" in Bezug auf Amerell sprechen darf. Möglicherweise wird dort auch Kempter als Zeuge aussagen und der DFB seine Ermittlungsergebnisse darlegen müssen.

Nach Ansicht des dreimaligen Welt-Schiedsrichters Markus Merk hat der Fall Amerell dem Ansehen des DFB und der Schiedsrichter schwer geschadet. "Nach so einer Geschichte bleibt immer ein Makel. Das ist ein großer Schaden für die Schiedsrichter und den DFB. Der international große Status der deutschen Unparteiischen ist angekratzt", sagte Merk.

Klar ist, dass das Schiedsrichterwesen in seinen Grundfesten erschüttert ist. Schiedsrichter-Boss Volker Roth wird beim DFB-Bundestag im Oktober nicht mehr kandidieren. Amerell hatte nach den Vorwürfen seine Ämter niedergelegt. Am Montag hatte Eugen Strigel verkündet, sein Amt als Lehrwart aus "gesundheitlichen Gründen" zur Verfügung zu stellen. DFB-Vizepräsident Rainer Koch hatte seinen Aufgabenbereich für die Referees abgegeben, weil er sich bei der Aufarbeitung intern übergangen sah.