Bundestrainer wirft dem Präsidenten in einer Erklärung die Verbreitung von Unwahrheiten vor. Der Coach behauptet, es habe keinen Handschlag-Vertrag mit der Verlängerung gegeben. Genau dies hatte der Präsident aber im Dezember offiziell verkündet.

Berlin. Eigentlich müssen sich die Streithähne zusammenreißen. Wie sähe es denn aus, wenn sich die Delegation des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) bei der Auslosung der Qualifikationsgruppen in Warschau für die EM 2012 morgen in aller Öffentlichkeit an den Kragen gehen würde? Aber es ist schwer vorstellbar, dass sie einträchtig beieinandersitzen werden: Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff und Bundestrainer Joachim Löw auf der einen sowie DFB-Präsident Theo Zwanziger und Generalsekretär Wolfgang Niersbach auf der anderen Seite.

Zu verhärtet sind die Fronten in einem mittlerweile offen ausgetragenen Machtkampf, der gestern eine neue Qualität erreicht hat: Joachim Löw geht voll auf Konfrontationskurs zu Theo Zwanziger. Der 50-Jährige hat am Tag nach den abgebrochenen Gesprächen über eine Verlängerung seines im Sommer auslaufenden Vertrages dem Präsidenten indirekt vorgeworfen, die Unwahrheit gesagt sowie ihn und Bierhoff in den Verhandlungen unter Druck gesetzt zu haben.

"Ganz bewusst haben wir uns in den vergangen Wochen nicht konkret zur Vertragssituation geäußert. Umso verwunderter sind wir über die plötzlich in der Öffentlichkeit diskutierten angeblichen Vertragsdetails. Dadurch sind viele Unwahrheiten in Umlauf gekommen. Einen Handschlag-Vertrag hat es zum Beispiel nicht gegeben", hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme Löws. Theo Zwanziger hatte genau diesen Handschlag-Vertrag am 17. Dezember 2009 offiziell bekannt gegeben

Die weiteren Gespräche über die Vertragsverhandlung waren vor zwei Tagen aber nach nur fünf Minuten auf einer Sondersitzung des DFB-Präsidiums abgebrochen und auf die Zeit nach der WM in Südafrika verschoben worden. Die Vorstellungen beider Seiten lagen zu weit auseinander, zumal auch noch pikante Details an die Öffentlichkeit gelangt waren. So soll Oliver Bierhoff für sich ein Vetorecht erbeten haben, mit dem er einen neuen Bundestrainer ablehnen kann. Auch soll er als Generalbevollmächtigter für sich und das Trainerteam einen Unterschriftsbonus für die neuen Verträge bis 2012 gefordert haben. Die Summe in Form eines Jahresgehalts sollte unter allen Trainern sowie Bierhoff aufgeteilt werden.

"Von unserer Seite wurde ein verhandelbarer Vorschlag vorgelegt, uns dagegen wurde ein nicht verhandelbares Angebot zugestellt, über das ich innerhalb von 48 Stunden entscheiden sollte", heißt es in Löws Erklärung weiter. Für ihn und sein Team würden Teamwork, Loyalität und Respekt an erster Stelle stehen. In diesem Sinne wolle man sich nun intensiv auf die WM in Südafrika vorbereiten. Ob das auch mit der nötigen Ruhe geschehen kann, ist 126 Tage vor Turnierstart nun mehr als fraglich.

"Da muss viel passiert sein, dass es zu so einem Eklat kommen kann", mutmaßte Bayern-Präsident Uli Hoeneß bereits in der "Bild". DFB-Generalsekretär Niersbach sprach von Dingen, die am Ende so nicht akzeptabel waren, und räumte im Gespräch mit der "Welt" ein, dass die Atmosphäre nun "etwas belastet" sei. Niersbach sagte aber auch: "Ich denke nicht, dass es nach dieser Entscheidung jetzt irgendwelche Probleme geben oder es Auswirkungen auf die Vorbereitung für die WM haben wird. Selbst wenn man jetzt mal kurz über Kreuz liegt: Das sind alles Profis, die menschlich und fachlich in Ordnung sind." Man müsse sich keine Sorgen um die Arbeit bei der deutschen Nationalelf machen.

Wenn er sich da nur nicht täuscht. Haben doch die gescheiterten Verhandlungen und der Fakt, dass Interna an die Öffentlichkeit gelangt sind, ein zerrüttetes Innenleben offenbart.

Oliver Bierhoff kündigte zwar an, im Hinblick auf eine gute WM und die dazu nötige optimale Vorbereitung nun alles ausblenden zu wollen. Doch der Druck ist immens. Löw muss das ohnehin schwierige Unternehmen, in Südafrika den Titel zu gewinnen, jetzt ohne Garantie auf Weiterbeschäftigung angehen - und wird öffentliche Diskussionen nun nicht verhindern können, sollte das Länderspiel gegen Argentinien am 3. März schiefgehen.

Hinter den Kulissen ist beim DFB von "groben taktischen Fehlern" und einem "Jahrmarkt der Eitelkeiten" die Rede. "Ich bedauere es sehr, zu dem jetzigen Zeitpunkt diese Diskussion führen zu müssen. Das ist unglücklich, und die Frage muss erlaubt sein, warum vier Monate vor der WM dieses Thema diskutiert werden muss", sagte DFB-Vorstandsmitglied Andreas Rettig.

Mit dieser Meinung dürfte er nicht allein stehen.