Bremen. Per Mertesacker trägt eine Daunenjacke, darunter den Trainingsanzug, als er zum Stadion kommt. Das mit den Spielen in der Woche, die Doppelbelastung in Liga und Pokal, sei zwar anstrengend. Aber immerhin, sagt Mertesacker, ist es in Bilbao schön warm. Dort spielt Werder Bremen heute Abend in der Europa League.

Abendblatt:

Herr Mertesacker, welcher Bremer Spieler knüllt denn auf dem Weg nach Hamburg schon mal eine Papierkugel?

Per Mertesacker:

Die Original-Papierkugel aus dem Uefa-Cup-Spiel liegt ja im Werder-Museum. Die können wir für das Spiel da wohl nicht rausholen. Wir müssen uns also tatsächlich etwas Neues einfallen lassen.

Abendblatt:

Zum Beispiel?

Mertesacker:

Mal schauen, aber auf jeden Fall sollten wir den Rasen wieder für uns nutzen.

Abendblatt:

Ihr Sportchef Klaus Allofs meinte, nach dem schwachen Spiel gegen Schalke seien Sie nur Außenseiter.

Mertesacker:

Ich beschäftige mich nicht mit der Frage, wer Favorit ist und wer Außenseiter. Das Spiel ist einfach wichtig. Wir stehen genauso wie der HSV vor der Frage, wohin es jetzt geht in der Bundesliga. Der Gewinner des Derbys bleibt an der Tabellenspitze dran. Aber wir waren ja immer stark beim HSV. Wir müssen dort zeigen, dass wir aus den Fehlern der letzten Wochen gelernt haben.

Abendblatt:

Die da wären?

Mertesacker:

Vor allem in der ersten Halbzeit haben wir es in den letzten Spielen schleifen lassen, was völlig kontraproduktiv war. Wir mussten Rückständen hinterherlaufen, das kostete Kraft.

Abendblatt:

Was haben Sie gedacht, als im April dieses Jahres klar war, dass Sie vier Nordderbys in 19 Tagen spielen?

Mertesacker:

Mein erster Gedanke war: Jetzt sind wir beim Eishockey gelandet. Dann war schnell klar, dass dies ein einmaliges Erlebnis ist, das auf uns zukommt. Wir wussten aber auch, dass diese vier Spiele über Erfolg und Misserfolg unserer gesamten Saison entscheiden würden.

Abendblatt:

Welches Spiel ist Ihnen am stärksten in Erinnerung?

Mertesacker:

Entscheidend war unsere Niederlage im Uefa-Pokal-Hinspiel hier in Bremen. Alle haben schon von der Rache des HSV für die Niederlage zuvor im DFB-Pokal gesprochen. Dass wir dann trotzdem zurückschlagen konnten, war großartig.

Abendblatt:

Und hat in Hamburg für schlaflose Nächte gesorgt. HSV-Chef Bernd Hoffmann sagte: "Dieses Trauma wird aus der Klubgeschichte nicht mehr zu tilgen sein." Haben Sie in Bremen diese Demütigung des HSV überhaupt wahrgenommen?

Mertesacker:

Von dem Schock in Hamburg habe ich, ehrlich gesagt, nicht viel mitbekommen. Für uns ging es ja gleich weiter in den beiden Pokalfinals. Aber im vierten Derby, in der Bundesliga, merkte man den Spielern schon den Kater an.

Abendblatt:

Was glauben Sie, wie werden die HSV-Spieler jetzt mit dem Werder-Trauma umgehen?

Mertesacker:

Der HSV hat diese vier Spiele doch längst abgehakt. Sie haben viele neue Spieler im Team, die in den Derbys gar nicht mit auf dem Platz standen. Sie haben einen neuen Trainer mit einer neuen Strategie.

Abendblatt:

Im ersten Derby - dem Halbfinale im DFB-Pokal - haben Sie den Führungstreffer erzielt.

Mertesacker:

Ja, ich konnte mich aus der Mauer lösen und bin dann reingegrätscht. Das Grätschen ist fast schon meine Spezialität. Aber abgesehen von meinem Treffer hatte das Spiel noch etliche Höhepunkte. Zum Beispiel die tollen Paraden von Tim Wiese im Elfmeterschießen.

Abendblatt:

Tim Wiese ist allerdings abseits des Platzes auch noch durch seine provokanten Sprüche aufgefallen (u. a. "Scheiß-HSV", Anm. d. Red. ).

Mertesacker:

Da ist der Gaul mit ihm durchgegangen. Das war nicht sehr glücklich. Das weiß er auch. Natürlich ist klar, dass die Fans des HSV das nicht so schnell vergessen werden. Tim merkt das ja nicht nur als Torwart von Werder, sondern auch, wenn wir mit der Nationalmannschaft einmal in Hamburg sind.

Abendblatt:

Mit Jerome Boateng ist ein weiterer HSV-Profi zur Nationalmannschaft gestoßen. Wer wäre Ihr Lieblingspartner in der Innenverteidigung?

Mertesacker:

Ich will mich nicht auf einen Namen festlegen. Natürlich ist mir das letzte Spiel mit Heiko Westermann am besten im Gedächtnis. Aber das heißt nichts. Jerome hat es definitiv durch seine starken Leistungen verdient, dass er in den Kreis aufgenommen wurde.