Dass der Tod Robert Enkes diese immense Anteilnahme und Betroffenheit ausgelöst hat, ist auf die zwei Extreme dieser Tragödie zurückzuführen. Da ist dieser omnipotente, sympathische, idealisierte Held, der als unverletzlich galt, und da ist dieser Suizid, der nicht verstanden wird, der nicht verstanden werden kann, und der gerade durch dieses Unverständnis Angst auslöst - Todesangst. Ein Wertesystem ist zusammengebrochen, ein Halt, der dem eigenen Leben Stabilität verlieh. Robert Enkes Tod hinterlässt viele Menschen orientierungslos. Sie trauern auch um sich selbst, weil die Lösungswege, die sie in ihrem bisherigen Leben gefunden zu haben glaubten, plötzlich nicht mehr existieren. Das erschreckt.

Eine Tragödie dieser Dimension führt immer auch zum Innehalten, zum Besinnen, zum Infragestellen, zum Wir-wollen-alles-besser-machen. Das gehört zum Ritual. Das ist geschehen. Doch was wird geschehen? Man kann über Depressionen und andere seelische Verletzungen informieren und aufklären. Ja! Man kann sie enttabuisieren, entmoralisieren. Ja! Das ist ein langer Prozess gegen Vorurteile, die tief in unserer Gesellschaft verwurzelt sind, doch er könnte gelingen, weil wir jetzt darüber sprechen, intensiv und vorbehaltlos.

Aber so bitter es klingt: Leistungssport und Krankheit stehen in einem direkten Widerspruch, der sich nicht auflösen lässt. Der Starke siegt, der Schwache verliert. Das verlangt das System, so sind die Regeln. Sie sind brutal. Der Tod Robert Enkes wird sie nicht ändern. Der Zirkus wird weiterziehen, "The Games must go on", und neben dem Jubel immer wieder Opfer hinterlassen.

Was wir tun können: Wir müssen Depressiven und anderen psychisch Kranken dieselben Schonräume gewähren wie einem körperlich Verletzten, der sich das Kreuzband oder die Achillessehne gerissen hat. Schaffen wir das, gehen die Vereine und ihr Publikum auf diese Sportler zu, würde der Leistungssport ein Stück weit humaner werden.