Verbände in der Kritik: “Fifa und Uefa müssen sich endlich um das Thema Spielerberater kümmern.“

Abendblatt: Herr Heldt, muss man sich Sorgen um Ihren Job machen?

Horst Heldt: Eigentlich nicht. Oder wissen Sie mehr als ich?

Abendblatt: Nein. Es fällt nur auf, dass immer mehr Trainer den Posten des Managers übernehmen: Felix Magath auf Schalke, Armin Veh in Wolfsburg und gezwungenermaßen nun auch Bruno Labbadia in Hamburg.

Heldt: Eine Zeit lang ist das sicher möglich, aber auf Dauer ist die Doppellösung für alle Beteiligten schwierig. Ich bin zu hundert Prozent davon überzeugt, dass ein Sportchef neben einem Trainer unverzichtbar ist.

Abendblatt: Ihre Meinung ist angesichts Ihrer Position wenig überraschend. Wie erklärt der Sportchef Heldt, wozu man heute noch einen Sportchef braucht?

Heldt: Der Sportchef hat mehrere Funktionen, die für jeden Verein dringend notwendig sind. Am wichtigsten ist, dass man als Manager die Philosophie des Vereins verfolgt, die man als Trainer durch die Schnelllebigkeit des Geschäfts nicht immer verfolgen kann. Jeder Klub braucht ein Regulativ, das die sportlichen Ziele des Vereins im Blick behält. Genau das sollte der Sportdirektor machen.

Abendblatt: Der HSV hat noch immer keinen passenden Sportchef gefunden. Hätten Sie keine Lust?

Heldt: Ich denke, dass Hamburgs Verantwortliche zu Unrecht in die Kritik geraten sind. Ich finde es absolut nachvollziehbar, dass sich die Verantwortlichen die Zeit nehmen, um den richtigen Kandidaten zu finden.

Abendblatt: Obwohl Sie gar nicht auf die Frage geantwortet haben, habe ich zu Ihrer Antwort eine Nachfrage: Sie glauben allen Ernstes, dass Hamburgs Verantwortliche bei der Suche nach einem neuen Sportchef ein gutes Bild abgegeben haben?

Heldt: Ich bin der Meinung, dass es Leuten von außen - auch mir - nicht zusteht, sich über die internen Abläufe eine Meinung zu bilden. Nur weil die Öffentlichkeit eine schnelle Lösung fordert, heißt es noch lange nicht, dass man sich drängen lassen darf, einen so wichtigen Posten möglicherweise mit einem ungeeigneten Kandidaten zu besetzen. Man sollte einfach mal Vertrauen in die handelnden Personen setzen. Und der HSV braucht sich doch auch nicht drängen lassen. Momentan läuft es doch ohne Sportchef, auch wenn das natürlich kein Dauerzustand sein sollte.

Abendblatt: Also noch mal zur Ausgangsfrage: Hätten Sie keine Lust auf den HSV?

Heldt: Was soll ich dazu sagen?

Abendblatt: Am besten, was Sie denken.

Heldt: Der HSV ist ein gut aufgestellter Verein, der sehr gut geführt wird. Ich kann mich noch gut an das alte Volksparkstadion erinnern, wo es überall gezogen hat. Was seitdem in Hamburg entstanden ist, ist schon sehr beeindruckend. Und auch die Mannschaft ist mittlerweile so weit, dass sie um die deutsche Meisterschaft mitspielen könnte.

Abendblatt: Können Sie ausschließen, neuer Sportchef des HSV zu werden, ohne dabei die Standardantwort "In diesem Geschäft kann man nichts ausschließen" zu gebrauchen?

Heldt: Das kann ich: Ich habe beim VfB einen Vierjahresvertrag, bin im Vorstand und sehr glücklich in Stuttgart. Ich sehe den HSV und den VfB auf Augenhöhe.

Abendblatt: Dann sprechen wir über Stuttgart: Wie sind die Rollen beim VfB verteilt? Sie kaufen ein und Markus Babbel stellt die Spieler auf?

Heldt: Jeder Transfer wird bei uns intensiv abgesprochen. Es wird keinen Spieler geben, den nur der Sportchef oder nur der Trainer will. So haben wir beispielsweise auch im Fall von Aliaksandr Hleb sehr viel miteinander gesprochen, ehe wir diesen Transfer abschließen konnten.

Abendblatt: Was dachten Sie, als Ihnen schließlich am Telefon zugesagt wurde?

Heldt: Ich war erleichtert. In der heißen Phase hatten wir permanent mit Aliaksandr und auch seinem Berater telefoniert. Wir haben ihn auch in Barcelona besucht, haben wirklich alles dafür getan, dass er dann auch zu uns kommen will. Unser Problem war, dass Inter Mailand ebenfalls Hleb um jeden Preis wollte. Auch die Italiener haben bei ihm und bei seinem Berater hartnäckig gebaggert, aber wir waren eben noch hartnäckiger. Mailand hat auch bei Barcelona richtig Gas gegeben, aber weil der Spieler am Ende zu uns wollte, konnten wir sie ausstechen.

Abendblatt: Neben Hleb hatten Sie mehr als 20 Stürmer kontaktiert. Haben Sie all die Angreifer auch mal im Schlaf verfolgt?

Heldt: In der absoluten Hochphase war es schon so, dass ich nachts mal aufgewacht bin und mir nicht sicher war, mit wem ich am Vortag in welcher Stadt gesprochen habe. Dieses Thema hat mich schon im Schlaf verfolgt. Ich war mehr als froh, als die diesjährige Transferperiode vorbei war.

Abendblatt: Hatten Sie nicht irgendwann die Nase voll von pokernden Beratern, die gerne ein Stück vom Gomez-35-Millionen-Euro-Kuchen abhaben wollten?

Heldt: Es war wirklich nicht immer einfach, aber wir haben unsere Linie konsequent durchgezogen. Als wir das Gefühl hatten, dass der eine oder andere nur auf unsere Kohle aus war, haben wir uns von diesen Leuten ganz schnell wieder verabschiedet.

Abendblatt: In der Saison 2007/08 flossen 54,8 Millionen Euro Beraterhonorare in der Bundesliga. Sehen Sie eine Möglichkeit, diese Summe einzuschränken?

Heldt: Ich hätte schon eine Idee, aber die kann nicht nur in Deutschland greifen, sondern die müsste weltweit verfolgt werden. Die Fifa und die Uefa müssen sich diesem Thema endlich mal annehmen und Regularien schaffen. Es ist auch nicht so schwer, eine gewisse Transparenz bei den Honoraren für Berater zu schaffen, sofern man das überhaupt will. Das wäre schon mal ein erster sehr wichtiger Schritt.

Abendblatt: Gibt es diese Transparenz in der Bundesliga?

Heldt: In Deutschland ist der Transfermarkt ja fast gläsern. Jeder Kauf, Verkauf und jedes Beraterhonorar muss der DFL gemeldet werden. Das ist auch der Grund, warum die von Ihnen genannte Summe bekannt geworden ist. Aber mindestens genauso wichtig wie Transparenz wäre eine Gebührenordnung, um ausufernde Honorare zu verhindern. Wenn Anwälte und Architekten sich an eine Gebührenordnung halten, dann können das auch Spielerberater. Das würde aber nur weltweit funktionieren. Und es würde nur dann funktionieren, wenn alle Verbände zusammenarbeiten.

Abendblatt: Experten behaupten, dass eine Gebührenordnung durch schwarze Zahlungen umgangen werden könnte.

Heldt: In Deutschland ist das gar nicht möglich. Ich bin mir absolut sicher, dass kein Bundesligaklub schwarz Honorare an Berater überweist.

Abendblatt: Und was passiert, wenn der VfB Stuttgart unbedingt einen Brasilianer verpflichten möchte, der gleichzeitig von mehreren ausländischen Klubs umworben ist? Hat dessen Berater da nicht die Zügel in der Hand?

Heldt: Natürlich ist das alles sehr kompliziert. Aber anstatt dass sich die Fifa Gedanken darüber macht, ob man jubelnden Spielern eine Gelbe Karte zeigt, wenn sie ihr Trikot ausziehen, sollte man sich lieber den wichtigen Themen endlich mal annehmen. Und glauben Sie mir: Es ist zu regeln, man muss es nur wollen.

Abendblatt: Fehlt dieser Wille?

Heldt: Ja, der Wille fehlt mir. Es wird viel zu viel über Nebensächlichkeiten gesprochen, statt die wichtigen Themen anzugehen.

Abendblatt: Können Sie nicht einen Vorstoß über DFL und DFB machen?

Heldt: Auf der letzten Managertagung war das bereits ein Thema. Klar ist, dass Deutschland dieses Thema nicht alleine behandeln kann. Wir sind auf die Unterstützung der anderen Ligen angewiesen. Es ist wie auf dem Fußballplatz: Nur wenn alle zusammen arbeiten, kann es am Ende auch einen Erfolg geben.