Im Heimspiel gegen den SV Werder Bremen soll der französische Superstar Franck Ribery sein Comeback im Trikot des FC Bayern München feiern...

München. Natürlich hat sich dann doch keiner getraut. Aus gegebenem Anlass witzelten die Gäste gestern an der Säbener Straße, dass man Louis van Gaal eigentlich mit Du ansprechen müsste. Schließlich hatte der hierarchieverliebte Trainer des FC Bayern bei der "Süddeutschen Zeitung" ausgeplaudert, dass selbst seine Töchter ihn siezen müssen - so wie seine Mutter es von ihm verlangt habe. Van Gaal bezeichnet sich als "Freund meiner Kinder, und sie lieben mich". Aber, postuliert der 58-Jährige, "ich finde es gut, wenn ein Abstand da ist". Spätestens jetzt dürfte jeder gemerkt haben: Nach dem smarten Jürgen Klinsmann und dem kühlen Ottmar Hitzfeld haben die Bayern wieder einen Trainer mit Schrullen, ein Attribut, das zuletzt auf Felix Magath passte.

Heute präsentiert van Gaal sich und seine Mannschaft zum ersten Pflichtspiel in der heimischen Arena. Es geht gegen Werder Bremen. Über allem schwebt die Erinnerung an die Schmach aus der Vorsaison, als der Rekordmeister gegen Bremen zur Halbzeit 0:5 zurücklag, die Partie endete 2:5. Louis van Gaal weiß um diese Hypothek: "Wahrscheinlich ist das für die Spieler schon noch wichtig, aber nicht für mich", sagt er. "Werder ist nicht mehr das Werder aus dem letzten Jahr. Aber auch Bayern ist nicht dieselbe Mannschaft."

Zum Beispiel ist seitdem für elf Millionen Euro Ablöse ein Ukrainer namens Anatolij Timoschtschuk hinzugekommen - ein Eckpfeiler der neuen Mannschaftsarchitektur, wie eigentlich alle dachten, außer Louis van Gaal. Der degradierte Timoschtschuk zum Ersatzspieler - zugunsten seines Kapitäns Mark van Bommel. Doch der hat sich den Zeh gebrochen und fällt vier Wochen aus. Nun erwarten alle, dass Timoschtschuk sich mit ein paar starken Auftritten im defensiven Mittelfeld unentbehrlich machen wird. Doch so einfach sei die Sache nicht, sagt van Gaal. "Timoschtschuk muss nicht spielen." Es gebe ja auch noch Andreas Ottl. Der habe den Vorteil, dass er nicht bis Donnerstag mit der Nationalmannschaft unterwegs gewesen sei. Es ist eine merkwürdige Gewichtung, die van Gaal da vornimmt: das biedere Eigengewächs Ottl als ernsthafte Konkurrenz für den Klassemann Timoschtschuk.

Doch die Besetzung der Sechser-Position ist nur eine von zwei Personalien, die vor dem Bremenspiel in München heiß gehandelt werden. Die andere ist Franck Ribéry. Der Franzose ist nach auskurierter Schleimbeutelentzündung im Knie im Prinzip wieder hergestellt. Unter der Woche stand er bereits gut 20 Minuten beim peinlichen 1:0 Frankreichs gegen Färöer auf dem Platz. Viel länger werde sein Einsatz jetzt auch nicht werden, sagt van Gaal bestimmt: "Ich denke, dass Fußball zwar viel, aber nicht nur im Gehirn gespielt wird. Spieler müssen auch einen konditionellen Aufbau erfahren." Außerdem müssen Ribéry und die Mitspieler sich noch auf die neue Aufgabe einstellen, die van Gaal dem Franzosen zugedacht hat: die Zehner-Position. Das ist noch so eine Entscheidung, die kaum jemand versteht. In den vergangenen zwei Spielzeiten war Ribéry stets über den Flügel gekommen. "Ich habe den Eindruck, dass er lieber links spielen will", gibt auch van Gaal zu. "Aber er ist offen für die Position zehn." Und wenn das nicht klappe, dann könne man das System in zwei Wochen ja auch wieder ändern, sagt er plötzlich. Dabei hatte er zuletzt die Mittelfeldraute mit Ribéry als Zehner als alternativlos verkauft. Nein, langweilig wird es mit Herrn van Gaal nicht werden.